Chronik für das Jahr 1945 |
Anmerkung zur Chronik der Stadt Göttingen in der Zeit des Nationalsozialismus |
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1. Januar 1945 Heftige Fliegerangriffe auf den Verschiebebahnhof. In der Weender Landstraße, der Emilien- und Arndt-Straße Zerstörung mehrerer Häuser. Ebenso Bomben im Westen der Stadt, am Friedhof. 7 Deutsche und 40 russische Kriegsgefangene waren die Opfer. 22. Januar 1945 Schärfste Einschränkung des Eisenbahn-Personenverkehrs, sämtliche Schnell- und Eilzüge fallen fort. Ebenso starke Drosselung im Postverkehr, Briefe nur noch im Orts- und Nahverkehr zugelassen. 9. Februar 1945 Wieder feindliche Bombenwürfe, 21 Menschenleben werden vernichtet. Hauptangriffsziel wieder der Verschiebebahnhof und das umliegende Gelände, viel Sachschaden auch auf dem Fliegerhorst. 22. Februar 1945 Erneuter Luftangriff, vornehmlich auf den Verschiebebahnhof und seine Umgebung, schwer zerstört auch die Städtische Brauerei am Brauwege. 27 Tote sind zu beklagen. 16. März 1945 Wie schon einmal, vorübergehende Einstellung des gesamten städtischen Kraftomnibusverkehrs. Die Wagen werden in bombenzerstörten Städten eingesetzt. 21. März 1945 In der Jüdenstraße werden durch Luftangriffe 4 Häuser vernichtet, auch in de Angerstraße und in der Siedlung Treuenhagen einige. Ein Todesopfer. Börries Freiherr von Münchhausen, Ehrenbürger der Stadt und Universität Göttingen, auf seinem Gute Windischleuba bei Altenburg in Thüringen wenige Tage vor Vollendung des 71. Lebensjahres verschieden. 26. März 1945 In der Nacht vom 25. zum 26. März Abzug des größten Teiles der Truppen. Dennoch Befehl des Gauleiters und Reichsverteidigungskommissars zur Verteidigung der Stadt. 1. April 1945 Besonnene Männer aus Bürgerschaft und Universität bemühen sich um Erklärung Göttingens als Lazarett- und freie Stadt, d. h., für kampflose Übergabe zur Rettung der Bevölkerung samt 2000 Verwundeten und der wertvollen Institute. In diesen Tagen schwere Konflikte mit den Parteidienststellen über diese Frage. Die militärischen Kräfte erklären die taktische Zwecklosigkeit einer Verteidigung Göttingens. 6. April 1945 Das Oberkommando Heer hebt den Verteidigungsbefehl auf, daher berühren auch auf dem Rückzug die deutschen Truppen Göttingen nicht, das jetzt ganz von Militär freigemacht worden ist. Abends der letzte Luftangriff, dem neben anderen Gebäuden die künstlerisch wertvolle Anatomie zum Opfer fällt. Der Bahnhof schwer getroffen. Letztes Erscheinen der Zeitung. 8. April 1945 Um 11.30 Uhr Feindalarm: Die Amerikaner rücken heran, um 12.50 Uhr Einsetzen der Artillerie-Beschießung vom Westen her, etwa 10 Minuten lang in Abständen. Ziele im Ostviertel, der erste Schuß geht in den Turm der St. Paulus-Kirche. Daraufhin gegen 13.30 Uhr Übergabe der Stadt durch Oberbürgermeister Gnade, Stadtrechtsrat Schwetge, Amtsgerichtsrat Schmidt und Professor Baumgarten als Dolmetscher an die bereits auf dem Markt stehende amerikanische Truppe. 9. April 1945 Plünderungen des Heeres-Verpflegungsamtes am Kleinen Hagen und der Kasernen durch Ausländer und Deutsche. Damals rund 25 Lager der zwangsweise nach Deutschland transportierten Ausländer in Göttingen. 11. April 1945 Oberbürgermeister Gnade von der Besatzungsmacht amtsenthoben. An seiner Stelle Amtsgerichtsrat Erich Schmidt zum Oberbürgermeister ernannt, nach einigen Tagen auch zum Landrat des Landkreises. Strenge Ausgangsbeschränkungen verhängt, die später langsam gelockert werden. Die Gerichte geschlossen, Rundfunk, Eisenbahn- und Postverkehr eingestellt. Die englische Sprache Amtssprache. 17. April 1945 Die ersten von den Nationalsozialisten s. Zt. vorgenommenen Straßenbenennungen rückgängig gemacht: die "Straße der SA" heißt wieder "Weender Straße", der "Adolf Hitler-Platz" wieder "Theaterplatz", die "Franz Seldte-Straße" wieder "Theaterstraße". Der alte Name "Kornmarkt" bleibt leider verloren. 20. April 1945 Erstmaliges Erscheinen des "Göttinger Mitteilungsblattes", das nur die amtlichen Bekanntmachungen der Besatzung und der deutschen Behörden bringt. Von Mitte August an "Amtliche Bekanntmachungen". 21. April 1945 Das Geismar-Tor von den amerikanischen Truppen als Verkehrshindernis niedergelegt. April - Mai 1945 Nach und nach dürfen bestimmte Geschäfte wieder geöffnet werden, auch der Fernsprechverkehr setzt langsam wieder ein. Mai 1945 An der Universität Bildung eines neuen Senates, der aus seiner Mitte den Staats- und Kirchenrechtler Dr. D. Smend als Rektor bestimmt. 1. Juni 1945 Göttingen und Umgebung von den Amerikanern an die britische Besatzungsmacht übergeben. 12. Juni 1945 Mit einigen Personenzügen der Eisenbahnverkehr wieder aufgenommen. Im Laufe des Juli wieder einige Schnellzüge. Die Züge sind gefährlich überfüllt. 30. Juli 1945 Wiedereröffnung der deutschen Gerichte. Einsetzen des Landgerichtes in seine alten Aufgaben durch Vertreter der britischen Militär-Regierung, des Amtsgerichtes durch Landgerichtpräsident Meyerhoff. August 1945 Einrichtung eines College of the Rhine-Army in Göttingen, für das vor allem Universitäts-Gebäude beschlagnahmt werden. 4. August 1945 Auf Drängen der britischen Besatzung das Theater mit Mozarts "Hochzeit des Figaro" wieder in Betrieb genommen. Die Bühne derzeitig nicht in städtischer Regie, sondern an eine Theater-Gesellschaft verpachtet. 17. September 1945 An der Universität beginnen mit Genehmigung der britischen Militär-Regierung wieder die Vorlesungen. 29. September 1945 Im Kalischacht zu Volpriehausen im Kreise Northeim werden durch ein Explosionsunglück die im Kriege dorthin ausgelagerten wertvollen Bibliotheken mehrerer Universitäts-Institute und Bestände der Universitätsbibliothek vernichtet (209.000 Bände von Instituten, 60.000 der Bibliothek). Die St. Albani-Kirche wird zur Garnisonkirche der Church of England erklärt. Als römisch-katholische Besatzungskirche dient St. Paulus. 1. Oktober 1945 Wiedereröffnung der Universitäts-Bibliothek, ebenso des Städtischen Museums. Die Städtische Bücherei schon seit Mitte Mai wieder in Betrieb. Über 10.000 Flüchtlinge aus den verlorenen Ostgebieten in Göttingen, daher große Wohnungsnot. Gründung eines Stadtflüchtlingsamtes. November 1945 Rückkehr der im Kriege nach Nikolausberg sichergestellten mittelalterlichen Altäre von St. Albani, St. Jakobi und St. Marien. 11. November 1945 Durch Bibliotheksrat i. R. Dr. Ernst Crous Gründung einer Mennonitengemeinde. 23. November 1945 Erste Sitzung des neuen, von der Militär-Regierung ernannten Rates. Dezember 1945 Mit wenigstens teilweiser Wiederaufnahme des Unterrichtes an den höheren Schulen sind die Göttinger Lehranstalten wieder in Arbeit. 10. Dezember 1945 Nach monatelanger Schließung des Gaswerkes wieder Gasversorgung. |