Chronik für das Jahr 1949 |
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1. November 1949 Der bisherige stellvertretende Leiter des Arbeitsamtes Göttingen, Regierungsrat Dr. Deiter, ist zum Stadtdirektor in Paderborn gewählt worden. Dr. Edmund Will, Erster Bibliotheksrat und stellvertretender Direktor der Niedersächsischen Staats- und Universitäts-Bibliothek Göttingen, trat nach Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand. Er war seit 1938 in Göttingen. Heute eröffnet die Bundesbahn eine Kraftomnibuslinie zwischen Duderstadt und Northeim, bei der morgens und abends direkte Verbindung zwischen Göttingen und Duderstadt besteht. 2. November 1949 Vizepräsident Augustin von der Bundesbahndirektion Hannover übergab heute Mittag offiziell den ersten Bauabschnitt der Leine-Eisenbahnbrücke, die im Krieg zerstört und seither als Notbrücke in Betrieb war, dem Verkehr. Im kommenden Jahr soll die ganze Brücke wiederhergestellt sein. Die Gesamtbaukosten betragen rund 1,5 Millionen DM. Professor D. Dr. Trillhaas hat sein Mandat als Ratsherr der Stadt Göttingen niedergelegt, da der für das Amtsjahr 1949/50 zum Rektor der Georg-August-Universität gewählt ist. Professor Trillhaas gehörte der Christlich-Demokratischen-Union an. Sein Nachfolger als Ratsherr wird Kaufmann Rudolf Hack. Die studentische Mensa, Wilhelmsplatz 3, ist in den Semesterferien durch den Architekten Herbert Wenkenbach erneuert worden. Der dortige Saal wird viel für Konzertveranstaltungen benutzt. 3. November 1949 In Anwesenheit des Regierungspräsidenten Backhaus-Hildesheim eröffnete der Präsident der Industrie- und Handelskammer für Südhannover, Morsch heute die Wirtschafts-Oberschule. Dieser neue Schultyp führt zur Reifeprüfung und soll insbesondere den Nachwuchs für die Wirtschaft und die Wirtschaftsverwaltung heranbilden. Neben Ober- und Mittelschülern werden auch Absolventen der zweijährigen Handelsschule und der Kaufmännischen Berufsschule nach dreijähriger Lehrzeit und Ablegung der Handelsgehilfenprüfung aufgenommen. Die Wirtschaft-Oberschule wird der seit über 100 Jahren bestehenden Göttinger Handelsschule angegliedert und soll Ostern 1950 die ersten Schüler aufnehmen. 6. November 1949 Zu Ehren des englischen Dichters T. S. Eliot, der zur Zeit den Göttingen weilt, veranstaltete das Theater der Stadt Göttingen eine Morgenfeier. 7. November 1949 In der überfüllten Aula der Universität hielt Eliot im Rahmen der politisch-historischen Vorlesungsreihe einen Vortrag über "The Idea of a European Society". Anschließend war der Dichter Gast bei einem Empfang den der Rathaushalle. Am folgenden Tag sprach der in der Aula nochmals, und zwar über "The Aims of Poetic Drama". 8. November 1949 Der ehemalige Oberbürgermeister von Göttingen, Albert Gnade, wurde gestern in der Berufungsinstanz des Entnazifizierungsausschusses den Gruppe III (Förderer und Nutznießer des Nationalsozialismus) eingestuft. In der ersten Instanz war er in Gruppe IV (Mitläufer) gekommen, wogegen der öffentliche Kläger Berufung eingelegt hatte. Entscheidend für die Neueinstufung war, daß vom Ausschuß Gnades Verhalten in den kritischen Tagen um die Kapitulation Göttingens am 8. April 1945 nicht als für die kampflose übergabe entscheidend gewertet wird. 9. November 1949 Nach Freigabe durch die britische Militärregierung konnte heute das beliebte Ausflugslokal "Kaiser Wilhelm-Park" auf dem Hainberg wieder eröffnet werden. Es war seit Jahren als englischer Offizierklub beschlagnahmt gewesen. Professor Dr. Wilhelm Meinardus, 1919/35 Ordinarius für Geographie an der Georgia Augusta, beging sein 50 jähriges Dozenten-Jubiläum. Zum ersten Mal gab heute Abend das Städtische Orchester in der Rathaushalle eine "Rathaus-Serenade" bei freiem Eintritt, der weitere folgen sollen. 10. November 1949 Nach 4 tägiger Verhandlungsdauer fällt heute die Göttinger Strafkammer die Urteile in einem neuen Prozeß gegen "Eisenbahnspringer", d.h. eine Bande, die systematisch vor allem Güterzüge der Besatzungsmacht durch Aufspringen beraubte. 21 Personen waren angeklagt, die sämtlich hohe Freiheitsstrafen erhielten. Dieser Banden-Prozeß war bisher der größte in Niedersachsen. 14. November 1949 Nach langer Pause fand wieder eine Kunstausstellung statt. 5 Göttinger Künstler bieten in den Nebenräumen der "Kammerspiele" in der Hospitalstraße einen guten überblick über ihr Schaffen. Die Schau wurde heute nachmittag eröffnet. In den "Kammerspielen" sollen künftig weitere Ausstellungen verschiedener Art gezeigt werden. 15. November 1949 Von heute ab verkehrt zwischen Göttingen und Braunschweig ein Autobus der Bundesbahn über Northeim-Seesen-Salzgitter. "Gebhards Hotel" in der Goetheallee, das zweitgrößte Hotel Göttingens, das während des Krieges als Lazarett diente und später von der britischen Besatzung als Sergeant-Messe für das College der Rhein-Armee beschlagnahmt war, wurde freigegeben. 17. November 1949 Die Kreissparkasse kaufte das Hotel "Zur Krone" in der Weender Straße, nachdem auch dieses von der Besatzung freigegeben ist, die es nach Kriegsende beschlagnahmt hatte. Es ist geplant, die Kassenräume der Kreissparkasse aus der Wendenstraße in das Erdgeschoß der "Krone" zu verlegen, im übrigen soll aber der Hotelbetrieb nicht aufgegeben werden. 18. November 1949 In vertraulicher Sitzung faßte der Rat Beschlüsse, die für das Kulturleben Göttingens folgenschwer sein könnten. Die Finanzschwierigkeiten, unter denen die Stadt leidet, verbieten ihr, die Verantwortung für die Höhe der Zuschüsse an das Theater zu tragen. Daher hat man sich an das Land Niedersachsen mit der Bitte um ausreichende Hilfe für das schwerbedrohte Theater gewandt. In Anbetracht der Bedeutung einer künstlerisch hochstehenden Bühne für die Landesuniversität ist sogar um Prüfung der übernahme als Staatstheater gebeten worden. Ob das Land Niedersachsen angesichts seiner bedrohlichen Finanzlage zu einer Hilfe imstande sein wird, dürfte allerdings sehr fraglich sein. Die Stadt wird das Ihre tun, um dem zu erwartenden Defizit im Haushalt des Theaters nach Kräften entgegenzuarbeiten. So sollen vom 1. Januar 1950 ab die "Kammerspiele" als Schauspielhaus aufgegeben und ausschließlich als Filmtheater verpachtet werden. Die Pachtsumme wird dem Theateretat gutgeschrieben. Darüberhinaus ist vorsorglich dem gesamten künstlerischen Personal des Stadttheaters zum 1. Juli 1950 gekündigt worden, ein Zeichen, wie ernst die Lage ist, und daß das Gespenst der Schließung der Bühne hinter diesen Beschlüssen droht. Diese Theater-Krise ist eine Erscheinung, die in vielen Städten Westdeutschlands zu beobachten ist als Ausfluß der wirtschaftlichen Notlage der Zeit. Im Alter von 73 Jahren starb der emeritierte Ordinarius für Anatomie an der Georgia Augusta, Dr. Max Voit, seit 1908 in Göttingen. Ein bleibendes Verdienst hat der sich vor allem durch die von ihm angeregte und in jahrzehntelanger Arbeit geschaffene Sammlung Göttinger Dozenten-Bilder erworben, die derzeitig über 2000 Stück umfaßt und Eigentum der Universitäts-Bibliothek ist. 19. November 1949 Rund 800 Studenten und Studentinnen wurden in der Aula der Universität für das Wintersemester 1949/50 feierlich neu immatrikuliert. Allen Warnungen zum Trotz hält der Zudrang zum Studium unvermindert an, fast 60 vom Hundert aller Studienanwärter mußten auch diesmal wieder aus Mangel an Arbeitsplätzen abgewiesen werden. Da etwa 1100 Studierende sich nach dem vergangenen Semester nicht wieder zurückgemeldet haben, wird die Gesamtzahl für Göttingen um etwa 300 geringer werden und wieder unter die 5000 sinken. 22. November 1945 Außer sonntags verkehrt von jetzt ab täglich ein Interzonen-Autobus von Göttingen nach Berlin über Northeim-Seesen-Braunschweig-Helmstedt-Marienborn, der die Strecke in 7½ Stunden zurücklegt. 24. November 1949 Gelegentlich einer Sitzung des Elektrobeirates der Stadt Göttingen schaltete Oberbürgermeister Föge das von der Elektrizitäts-Aktiengesellschaft Mitteldeutschland gepachtete 60.000 Volt-Umspannwerk der früheren Aerodynamischen Versuchsanstalt ein. Diese Neuanlage stellt den Beginn der Bestrebungen dar, die Elektrizitätsversorgung Göttingens auf einen neuzeitlichen Stand zu bringen. 25. November 1949 Der Zirkus "Apollo" ging nach einer großen Sommer-Tournee zum dritten Mal in Göttingen in das Winterquartier. 29. November 1949 Nach dem Vorbild anderer Städte haben beschäftigungslose Schauspieler in Göttingen ein "Zimmertheater" errichtet. In geeigneten Räumen einer Wohnung werden für die Aufführung im großen Theater weniger oder für Göttingen sonst gar nicht in Frage kommende moderne Schauspiele geboten. Nach großen Schwierigkeiten mit Verwaltungsstellen konnte das Göttinger Zimmertheater im Haus Hoher Weg 5 seine erste Aufführung bringen: das Schauspiel "Die ehrbare Dirne" von dem jetzt viel gespielten französischen Schriftsteller und Philosophen Jean Paul Sartre. 30. November 1949 Kupferschmiedemeister Carl Reiter verschied im Alter von 76 Jahren. Der Verstorbene war langjähriger Obermeister und Ehrenobermeister der hiesigen Klempner-, Installateur- und Kupferschmiede-Innung, Ehrenvorsitzender des früheren Kreishandwerkerbundes wie viele Jahre hindurch Vorstandsmitglied der Kreishandwerkerschaft Göttingen und der Handwerkskammer zu Hildesheim. |
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