Chronik für das Jahr 1949

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1. Oktober 1949

Im "Stadtpark" eröffnete die Kreishandwerkerschaft Göttingen eine große "Handwerkerschau. Die Leistungen von Meister, Geselle, Lehrling", die bis zum 7. Oktober dauerte.

Am 1. Oktober waren in Göttingen 559 Krafträder, 700 Personenkraftwagen, 475 Lastkraftwagen und 65 sonstige Kraftfahrzeuge vorhanden, insgesamt 1799. Am Ende des vorigen Jahres waren es 1214 gewesen.

Die Zahl der Arbeitslosen steigt. Am 1. Oktober registrierte das Arbeitsamt Göttingen (Göttingen-Stadt, Göttingen-Land, Kreis Hann. Münden) 8307 Arbeitslose, darunter sind 2726 Angestellte.

Mit einer Feier der Belegschaft begingen die Aluminiumwerke Göttingen ihr 40 jähriges Bestehen. Das Werk beschäftigt zur Zeit mehr als 650 Personen.

Der bisherige katholische Studentenpfarrer Dr. Wilhelm Kirsch ist zum Pfarrer an der St. Josephkirche in Braunschweig ernannt worden. Zu seinem Nachfolger wurde Pater Paul Bolkovac S. J. aus Hamburg bestimmt.

Vom heutigen Tage ab ist der beschleunigte Fernsprechdienst mit folgenden Orten wieder aufgenommen worden: Adelebsen, Bremke, Dransfeld, Duderstadt, Ebergötzen, Friedland, Gieboldehausen, Hardegsen, Lenglern, Moringen, Nörten-Hardenberg, Obernjesa, Rittmarshausen und Witzenhausen.

Die früher zum Bahnhof Göttingen gehörige Gruppe von 14 Schnellzugslokomotiven fällt in Zukunft fort, da durch die Abtrennung der Ostzone, die früher teilweise bis Berlin mit Göttinger Schnellzugslokomotiven befahren wurde, die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. Es wird künftig also auf Bahnhof Göttingen für Schnellzüge kein Maschinenwechsel mehr stattfinden, sondern in Bebra, bzw. Hannover.

Um den vielfachen Wünschen der Bevölkerung entgegenzukommen, ist vom 1. Oktober ab das Stadtbadehaus auch sonntags von 9 bis 13 Uhr geöffnet.

Im verflossenen Vierteljahr hat die Stadt Göttingen allein für die sogenannte offene Fürsorge (in erster Linie Kriegsgeschädigte und Kriegshinterbliebene, Flüchtlinge, Everkuierte) die Summe von 449.843 DM auswerfen müssen. Die sogenannte geschlossene Fürsorge (Heime) erforderte 157.759 DM.

3. Oktober 1949

Der traditionelle Gildewahl-Tag des Göttinger Handwerks wurde heute im üblichen Rahmen des Frühgottesdienstes in St. Johannis, Festakt im Theater, Empfang der neugewählten Innungsobermeisters durch den Oberbürgermeister in der Rathaushalle mit einer Ansprache von Oberbürgermeister Föge begangen. Abends hielten die einzelnen Innungen besondere Feiern ab.

Als von Kriegszerstörung so gut wie verschont gebliebener Ort hat Göttingen sich zu einer Stadt der Kongresse entwickelt. In diesem Jahr haben 23 größere und rund 50 kleinere Tagungen hier stattgefunden. Wie stark dadurch der Fremdenverkehr und damit das Wirtschaftsleben gehobenen wird, geht daraus hervor, daß von April bis September 27.506 Fremde in Göttingen gewesen sind, im ganzen vorigen Jahr konnten nur 15.830 registriert werden.

Wie in einigen anderen niedersächsischen Städten, vor allem Hannover, hat auch die Göttinger Schlachter-Innung beschlossen, so lange kein Schlachtvieh aufzukaufen, bis eine Regelung des Preiswirrwarrs eingetreten ist, der auf den Schlachtviehmärkten der Westzonen herrscht. Die niedersächsischen Schlachter lehnen es ab, Schlachtvieh zu höheren als den gesetzlichen Höchstpreisen einzukaufen. Zu normalen Preisen wird aber kein Vieh angeboten, da Händler aus Hessen und zumal aus Nordrhein-Westfalen niedersächsisches Vieh zu überhöhten Preisen aufkaufen. Durch den Beschluß der Innung herrscht auf dem Göttinger Schlachthof Ruhe, die Fleischerläden sind geschlossen. Der Streik war nur von kurzer Dauer und blieb ergebnislos.

7. Oktober 1949

Professor Dr. Hermann Nohl, der Vorsitzende des Universitäts-Bundes Göttingen, vollendete das 70. Lebensjahr.

Der Rat bewilligte 20.000 DM für den Ausbau der Staßenbeleuchtung. Davon werden etwa 400 neue Straßenlampen in Betrieb genommen werden können, die seit dem Krieg abgestellt waren. Dadurch werden die mit der Zeit unhaltbar gewordenen Beleuchtungsverhältnissen, zumal in den Außenbezirken, gebessert werden. Auch hofft man dadurch, einen Beitrag zur Sicherheit gegen die zahlreichen Einbrüche und überfälle zu leisten. Erst gestern Abend wurde ein Kriminalbeamter am oberen Hainholzweg von 2 Straßenräubern angeschossen und schwer verletzt.

9. Oktober 1949

Wie überall in den Westzonen, begingen die Ostvertriebenen auch in Göttingen den "Tag der Heimat". Auf dem oberen Theaterplatz vor dem "Stadtpark" fand eine große Kundgebung statt. Künftig soll der 9. Oktober alljährlich "Tag der Heimat" sein. An die Kundgebung schlossen sich evangelische und katholische Gottesdienste sowie landsmannschaftliche Beisammensein an.

10. Oktober 1949

Sanitätsrat Dr. Adolf Fleischmann, Senior der Göttinger Ärzte, starb kurz vor Vollendung des 83. Lebensjahres an den Folgen eines Straßenunfalles. Er wurde von einem Motorrad überfahren.

Vom 10. bis 11. Oktober war die Herbsttagung des Hannoverschen Pfarrvereins in Göttingen, an der etwa 100 Pastoren teilnahmen.

Auf Veranlassung des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland findet in der Woche vom 10. bis 15. Oktober wie im Vorjahr in ganz Deutschland eine Gebetswoche um die Rückkehr der Kriegsgefangenen, Vermißten und internierten Männer, Frauen und Kinder statt. In sämtlichen Göttinger evangelischen Kirchen wurden wieder allabendliche Bittgottesdienste gehalten.

12. Oktober 1949

Brigadier Kensington, der britische Kreisresidenzoffizier für den Landkreis Göttingen verabschiedete sich vor dem Kreistag. Der wird die Kreise Hann. Münden und Northeim übernehmen. Für die Kreise Göttingen-Stadt und Göttingen-Land ist künftig nur noch ein Kreisresidenzoffizier vorgeschrieben, Mr. Evans.

Die Stadt Göttingen steht zur Zeit in lebhafter Auseinandersetzung mit dem Landkreis in der Frage der Eingemeindung des ehemaligen Flugplatzgeländes. Der Kreistag sowohl wie die Gemeinde Grone setzen den Bestrebungen der Stadt erheblichen Widerstand entgegen. Die staatliche Entscheidung steht noch aus.

13. Oktober 1949

In einem zweiten großen Eisenbahnräuber-Prozeß verkündete das Landgericht heute kurz vor Mitternacht die Urteile: 31 Angeklagte wurden bestraft, 3 freigesprochen. Ein dritte Eisenbahnspringer-Prozeß ist bereits anhängig gemacht.

Die "Kammerspiele" in der Hospitalstraße sind jetzt im Äußeren restauriert und nach der Straße zu freigelegt worden. Die schöne klassizistische Fassade kommt dadurch erst zur vollen Geltung und erweist das Gebäude als eines der besten einstigen Privathäuser der Stadt (der Archäologe C.O. Müller erbaute es 1835/36).

15. Oktober 1949

Oberrentmeister Schoß, der Leiter der Regierungskasse Göttingen, begeht heute sein 40 jähriges Dienstjubiläum.

Der Göttinger Architekt Dietz Brandi erhielt im Wettbewerb um die Neugestaltung des im Krieg fast völlig zerstörten Hildesheimer Marktplatzes den Zweiten Preis.

16. Oktober 1949

Im "Stern-Theater" eröffnete die Volkshochschule das Wintersemester 1949/50. Volkshochschuldirektor Lotze-Hannover sprach über das Thema "Volkshochschule - eine neue Art zu leben".

Das Stadttheater brachte die deutsche Erstaufführung der "ungeschichtlich historischen Komödie" "Romulus der Große" des Schweizer Dichters Friedrich Dürrenmatt.

17. Oktober 1949

Im Landgericht traten 300 Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte und Referendare des Landgerichts-Bezirks Göttingen zum 4. Göttinger Juristentag zusammen.

22. Oktober 1949

Vor der Ersten Strafkammer des Landgerichts fand gestern und heute ein Prozeß gegen den früheren Göttinger Kreisleiter der NSDAP, Dr. Thomas Gengler, statt. Dieser war der Absicht angeklagt, unmittelbar vor dem Einmarsch der Amerikaner in Göttingen Anfang April 1945 mehrere der Partei mißliebige Persönlichkeiten Göttingens, darunter den heutigen Landgerichtspräsidenten Meyerhoff, den Direktor der Physikalischen Werkstätten ("Phywe"), vor allem aber den damaligen General der Infanterie Hoßbach zu verhaften und in den Harz abtransportieren zu lassen. Die Verhaftung des Generals Hoßbach ist tatsächlich am 8. April 1945 versucht worden, allerdings ohne Erfolg, denn es gab damals ein Feuergefecht zwischen dem General und den Polizisten. 30 Zeugen waren aufgeboten, Gengler wurde wegen versuchter schwerer Freiheitsberaubung zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Wegen Beihilfe zum gleichen Verbrechen erhielt der frühere Gaustudentenführer Potratz vier Monate Gefängnis.

27. Oktober 1949

Am 21. September 1949 ist in Westdeutschland die Pressefreiheit wiederhergestellt worden, wodurch der bis dahin bestehende Lizenzzwang aufgehoben ist. Im Zuge dieser Neuordnung erscheinen nun wieder Lokalzeitungen, und von heute ab auch das "Göttinger Tageblatt" wieder, das während des Zweiten Weltkrieges im Verlauf der Unterdrückung aller nicht parteiamtlichen Zeitungen durch die NSDAP am 18. April 1943 eingegangen war. Es steht in Verbindung mit der "Norddeutschen Zeitung" (die auch weiterhin in Göttingen gedruckt werden wird) und in Redaktionsgemeinschaft mit der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".

28. Oktober 1949

Das Theater plant für diese Spielzeit Sondervorstellungen für Erwerbslose, zu denen diese gegen Vorzeigung ihrer Arbeitslosenkarte für ganz geringes Eintrittsgebühren Zugang haben. In den "Kammerspielen" ging heute als erste Vorstellung dieser Art das musikalische Lustspiel von Bernatzky "Meine Schwester und ich" in Szene.

30. Oktober 1949

Wieder wurde eine "Woche des Buches" veranstaltet (bis 5. November), in der vor allem die Jugend für das Buch interessiert werden soll. Es fand daher eine Kinder- und Jugendbuch-Ausstellung statt, auch wurde durch Preisausschreiben der Buchhandlungen geworben.

Der Kreissportbund hielt auf dem Rohnsweg ein Kinder-Wettfahren mit selbstgebauten Fahrzeugen ab, das volkstümlich "Seifenkisten-Rennen" genannt wird.


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