Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen

  1. Die jüdische Gemeinde in der Stadt Göttingen von den Anfängen bis zur Emanzipation / Peter Wilhelm. - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1973. - 143 S.: III. - ISBN 3-525-85410-2. - 9,90 EUR

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Zum Geleit5
Geleitwort7
Vorwort9
Die Göttinger Judengemeinde von 1289 - 134813
Die ältesten Nachrichten von einer jüdischen Gemeinde in Göttingen13
Das herzogliche Judenschutzrecht und die Juden als Einwohner der Stadt Göttingen15
Der Untergang der Göttinger Judengemeinde im Jahre 134818
Die Göttinger Judengemeinde von 1370 - 146021
Der Übergang des Judenschutzrechtes an die Stadt Göttingen21
Die Göttinger Juden von 1370 - 146023
Herkunft und Verbleib der Göttinger Juden32
Der Wohnbereich der Juden, Synagoge und Judenbad34
Größe der Familien und Gesamtzahl der Juden37
Die Juden als Bürger der Stadt, ihre Abgaben und Dienste38
Juden vor Gericht41
Geldleihe und Pfandgeschäft44
Der Eid der Juden47
Streitigkeiten in der jüdischen Gemeinde48
Das Ende der jüdischen Gemeinde im Jahre 1459/6049
Die Göttinger Judengemeinde von 155O - 179651
Die Rücknahme des Judenschutzrechtes in der Stadt Göttingen durch die Landesherren51
Liste der Schutzbriefinhaber in Göttingen57
Gesamtaufstellung der Göttinger Juden von 1553 - 179659
Synagoge und Friedhof der Judengemeinde65
Die Juden als Beiwohner in der Stadt69
Abgaben und Dienste70
Stolgebühren und Äquivalentgelder73
Schutzjuden und der Erwerb von Immobilien75
Pfandgeschäft und Handel der Juden77
Die Auseinandersetzungen zwischen Metzgern und Juden81
Die Georg-August-Universität und ihre Stellungnahmen gegenüber den Göttinger Schutzjuden84
Übertritte zum christlichen Glauben86
Die Verminderung der Göttinger Schutzjuden91
Die Göttinger Judengemeinde von 1796 - 185097
Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde bis zum Ende des westfälischen Königreiches98
Die Göttinger Juden von 1796 - 1850101
Die jüdische Kultusgemeinde von 1796 - 1814107
Das Ende der Emanzipation im Jahre 1814110
Vom Judenschutzrecht zum Bürgerrecht der Juden im wiedererrichteten Königreich Hannover116
Die Göttinger Juden bis zum Jahre 1850119
Der Grunderwerb Göttinger Juden121
Der Erwerb des Bürgerrechts durch jüdische Einwohner123
Die jüdische Kultusgemeinde bis zum Jahre 1850124
Verzeichnis der Quellen127
Literaturverzeichnis131
Logierlisten135
Abbildungen141



Zum Geleit
Rat und Verwaltung der Stadt Göttingen sind für den glücklichen Umstand dankbar, daß es möglich ist, anläßlich der Einweihung des Mahnmals von Professor Corrado Cagli, Rom, an der Stelle der ehemaligen Synagoge der Öffentlichkeit einen in jahrelanger Arbeit gewachsenen ersten Teil einer Geschichte der Juden in Göttingen vorzulegen. 35 Jahre nach der Niederbrennung der deutschen Synagogen und 30 Jahre nach dem Aufstand im Warschauer Getto sowie 25 Jahre nach der Staatsgründung Israels kommt der Errichtung dieses künstlerisch gestalteten Mahnmals eine hohe politische Bedeutung zu. Daß es möglich wird, neben dem pyramidenförmig aufsteigenden stählernen Davidstern ein literarisches Monument zu stellen, das die Geschichte der Judengemeinde in Göttingen von ihren Anfängen im 13. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts beschreibt, erfüllt uns mit besonderer Genugtuung.

Die von Herrn Peter Wilhelm vorgelegte Forschungsarbeit entstand ohne die sonst übliche Grundlage einer breiten Sekundärliteratur. Die Durcharbeitung der weithin verstreuten und lückenhaften Archivalien zu diesem Komplex in den Staats- und Stadtarchiven Niedersachsen hat Jahre beharrlicher Arbeit erfordert, macht aber auch das vorliegende Buch zu einer geradezu unabsehbar ergiebigen Quelle für weitere Arbeiten. Allein fünf Jahre haben die Arbeiten in den reichen Beständen des Stadtarchivs Göttingen in Anspruch genommen, wo Herr Wilhelm Urkunde für Urkunde und Blatt für Blatt der Stadtbücher, Amtsbücher, Register, Rechnungen und Akten nach Erwähnungen von Göttinger Juden durchgesehen hat. Aus den zahlreichen verstreuten Einzelnachrichten hat der Autor schließlich eine umfassende Darstellung der Geschichte der Juden in Göttingen, der Stellung der jüdischen Gemeinde innerhalb der jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und ihre Beziehungen zu Rat und Bürgerschaft erarbeitet. Die vorliegenden Ergebnisse sind neu für die Geschichte Göttingens ganz allgemein und fordern darüber hinaus zur Erforschung der Geschichte der Juden im gesamten niedersächsischen Raum auf.

Wenn sich die Stadt Göttingen nunmehr rühmen kann, als eine der wenigen niedersächsischen Städte eine neue, ausschließlich aus dem Archivmaterial gewonnene Darstellung ihrer Judengemeinde zu besitzen, wenn diese auch erst bis zum Jahre 1850 geführt werden konnte, dann gilt unser Dank in erster Linie dem Autor dieser Studie. Dank gebührt aber auch den akademischen Lehrern, den Professoren Dr. Hans Goetting und Dr. Richard Nürnberger, die diese von der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommene Arbeit betreuten und begutachteten. Zu danken hat die Stadt schließlich der Calenberg-Grubenhagenschen Landschaft und ihrem Landsyndikus Dr. Walther Lampe sowie dem Niedersächsischen Kultusminister in Hannover für die Gewährung von Beihilfen zur Drucklegung.

Artur Levi, Oberbürgermeister
Kurt Busch, Oberstadtdirektor




Geleitwort
"Aus Kindern werden Briefe", und aus blühenden jüdischen Gemeinden wurden Gedenkbücher. - Nach der Vernichtung des deutschen Judentums sind sie, wie auch das vorliegende Werk, gleichsam literarische Monumente einstmals pulsierenden Lebens. Man denkt an das Wort Franz Rosenzweigs: Deutschland wird den jüdischen Beitrag zu seiner Kultur erst posthum voll würdigen; dies ist in seiner ganzen grausigen Tragweite wahr geworden.

Die Dissertation Peter Wilhelms umfaßt die Zeit bis zur Emanzipation, die in Deutschland erst ziemlich spät, nämlich seit 1848, erfolgte, in Frankreich ein halbes Jahrhundert früher. Bis dahin ist das Schicksal der jüdischen Gemeinden in Mitteleuropa, zwischen Rhone und Elbe, bei aller lokalen Differenziertheit, ja im wesentlichen dasselbe: begrenztes Judenschutzrecht, Verfolgung, Austreibung, mühsame Neubildung. Die ausgezeichnet dokumentierte Arbeit Wilhelms bedeutet eine wertvolle Ergänzung und Bestätigung dessen, was über das lange traurige Kapitel der "gothischen Nacht" bekannt war. Schade nur, daß das Buch da aufhört, wo die große deutsch-jüdische Symbiose, durch Moses Mendelssohn eingeleitet, sich zur vollen Blüte entfaltete.

Gerade Göttingen mit seiner großen Anzahl jüdischer Hochschullehrer, unter denen die Nobelpreisträger Otto Wallach und James Franck, sowie Forscher von Weltruf wie Paul Ehrlich besonders hervorragen, stand in einem Brennpunkt dieser Entwicklung. Das goldene Zeitalter der jüdischen Diaspora, die Blütezeit im maurischen Spanien, schien in Deutschland wieder - und in noch glanzvollerer Form - zu erstehen. In der Tat erstreckte sich diese glückliche Zeit, wenn auch nicht ohne Rückschläge, über mehrere Generationen. Es war ein fruchtbares Geben und Nehmen, ein Austausch schöpferischer Fähigkeiten, eine Verschmelzung jüdischer Geistigkeit mit den glanzvollen Schöpfungen des Volkes, das im 19. Jahrhundert zu Recht ein Volk der Dichter und Denker genannt wurde.

Die Juden dieses Landes bezeichnen sich stolz als "deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens" und waren von der ehrlichen Überzeugung durchdrungen, am geistigen und wirtschaftlichen Aufschwung ihres Heimatlandes maßgeblich beteiligt zu sein. Vergessen waren das finstere Mittelalter und das jahrzehntelange Ringen um politische Gleichberechtigung.
Aber die dunklen Mächte der Reaktion hatten ihre Niederlage nicht vergessen, und ihr Vorhandensein kündigte sich immer wieder durch ein unheimliches Knistern im antisemitischen Gebälk an, bis sie, durch politische und wirtschaftliche Wirren begünstigt, voll zum Zuge kamen. Und dann wurde ein Stück aufgeführt, dem gegenüber alle vorangegangenen Revolutionen wie ein harmloses Idyll anmuten.
Eine Epoche deutsch-jüdischer Zusammenarbeit ging in Flammen auf. Die Synagogenverbrennungen vom 8. November 1938 wurden zum Fanal eines Weltbrandes, dem Millionen unschuldiger Menschen, darunter auch christliche Märtyrer, und schließlich gar die deutschen Städte zum Opfer fielen. Schillers Vision traf ein:

Weh denen, die dem Ewigblinden
Des Lichtes Himmelsfackel leihn.
Sie leucht't ihm nicht, sie kann nur zünden
Und äschert Städt' und Dörfer ein.
Und nun besinnen sich die wiedererbauten Städte auf ihre jüdischen Mitbürger, die im Stadtbild fehlen, und versuchen, durch würdige Mahnmäler und Gedenkschriften den kommenden Generationen ein ergreifendes Memento zuzurufen. Solche gutgemeinten Bemühungen ehren die Initiatoren und sollen auch von den überlebenden Opfern als Symptome ehrlicher Gesinnung gewürdigt werden.

Zwar ist, nach einem Ausspruch von Rabbiner Leo Baeck, eine große Geschichtsepoche des jüdischen Volkes zu Ende gegangen. Aber aus den Ruinen blühe doch wieder neues Leben humaner Gesinnung.

Professor Dr. Cuno Ch. Lehrmann, Rabbiner




Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand unter der Zielsetzung, eine möglichst lückenlose Geschichte der jüdischen Gemeinde in Göttingen von den Anfängen bis zur Emanzipation in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu gewinnen. Auf vergleichbare Arbeiten konnte dabei nicht zurückgegriffen werden, da sich die vorliegenden Untersuchungen zur Geschichte jüdischer Gemeinden in den Städten des Landes Niedersachsen auf begrenzte Zeitabschnitte überwiegend der neueren und neuesten Zeit beziehen. Die Grundlage für die Geschichte der Göttinger Juden konnten daher nur die primären Quellen der Archive bilden. Dabei stand an erster Stelle das Stadtarchiv Göttingen mit seinem reichhaltigen, aber noch weithin schwer zugänglichen Material. Da für die ältere Zeit keine speziellen Judenakten vorliegen und die Zahl der Judenurkunden sehr gering ist, mußten nahezu die gesamten Bestände für das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit Seite für Seite durchgearbeitet werden, um das im ganzen spärliche und verstreute Material und die verhältnismäßig seltenen Erwähnungen Göttinger Juden möglichst vollständig zu erfassen. Wiederholt wurden Quellen für mehrere Jahrzehnte ergebnislos durchgesehen wie beispielsweise die spätmittelalterlichen Briefsammlungen, die Gildeakten und Kämmereiregister des 16. Jahrhunderts, die umfangreichen Berichte über den Dreißigjährigen Krieg oder die frühen Hannoverschen Zeitungen. Ebenso erwiesen sich die Akten des Archivs der Georg-August-Universität und des Stadtkirchenarchivs der evangelisch-lutherischen Kirchen Göttingens als verhältnismäßig unergiebig.

Ergänzend und mit einigem Erfolg wurden die Bestände des Nds. Hauptstaatsarchivs Hannover, des Nds. Staatsarchivs Wolfenbüttel und des Hess. Staatsarchivs Marburg sowie des Archivs der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover durchgesehen. Ergebnislos blieb dagegen die Durchsicht der Bestände des Bayerischen Hauptstaatsarchivs München, des Dom- und Diözesanarchivs Mainz, des Bistumsarchivs Hildesheim sowie des Bayerischen Staatsarchivs Würzburg, aus dessen Bereich Göttinger Judenfamilien kommen. Ebenso erfolglos waren Briefwechsel mit den Stadtarchiven in Duderstadt, Erfurt, Gießen, Halle, Heiligenstadt, Langensalza, Lich, Magdeburg, Nürnberg und Regensburg, deren Bestände entweder nicht bis ins späte Mittelalter zurückreichen oder noch nicht erschlossen sind.

Insgesamt erwies sich das Quellenmaterial als verhältnismäßig gering und spröde im Vergleich mit den wesentlich reicheren Beständen älterer und größerer Städte wie zum Beispiel Köln. Auch stand der zeitliche Aufwand infolge der geschilderten Umstände in keinem rechten Verhältnis zu den Ergebnissen. Trotzdem kann nach Abschluß der bereits im Jahre 1967 begonnenen Arbeit gesagt werden, daß das Ziel der Arbeit, das Bild einer Judengemeinde in einer Stadt eines kleinen fürstlichen Territoriums zu entwerfen, im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten erreicht worden ist. Nicht in die Arbeit mit einbezogen wurden die Fragen nach der Stellung jüdischer Lehrender und Studierender an der Georg-August-Universität sowie nach ihrem Anteil am akademischen Leben. Ebenso wurde auf die Darstellung der allgemeinen Lage der Juden und der geistesgeschichtlichen Hintergründe der Judenemanzipation im Rahmen dieser Arbeit verzichtet.

An dieser Stelle soll auch den Direktoren und Mitarbeitern der genannten Archive gedankt werden, die der zeitraubenden Sucharbeit in großzügiger und unbürokratischer Weise jede mögliche Hilfe gewährten. Besonderer Dank gilt dabei dem Leiter des Stadtarchivs Göttingen, Herrn Oberarchivrat Dr. Nissen und seinen stets hilfsbereiten Mitarbeitern sowie vor allem Herrn Amtsgerichtsrat a.D. Heinz Kelterborn, dem wohl besten Kenner der mittelalterlichen Geschichte Göttingens.

Wolf Dietrich Kupsch


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