Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen

  1. Geschichte des Dorfes und Patrimonialgerichtes Geismar bis zur Gerichtsauflösung im Jahre 1839 / Hans Tütken. - Göttingen : Vandenhoeck & Ruprecht, 1967. - XII, 351 S.

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Vorwort
Einleitung
Zu den naturräumlichen Verhältnissen1
Zur Besiedlung des Göttinger Leinetals in ur- und frühgeschichtlicher Zeit5
Zur Besiedlungsgeschichte des Göttinger Raumes5
Das Alter der Siedlung Geismar8
Die retrospektive Klärung der frühen Siedlungsgeschichte14
Vorbemerkung14
Die Kernflur16
Umfang und Datierung16
Zum Problem der Bünden20
Die Ausbauflur27
Zum Problem Flurwüstung und Fluranalyse33
Die Siedlung38
Die Geschichte der Kirche in vorreformatorischer Zeit47
Zur Frage des Missionsträgers und der Missionszeit im Leinegau47
Zur Geschichte der Geismarer Kirche im frühen Mittelalter50
Rückschlüsse aus dem Patrozinium51
Rückschlüsse aus den Patronatsverhältnissen54
Rückschlüsse aus den Besitzverhältnissen55
Rückschlüsse aus der Kirchenorganisation61
Zur Frage der Identität von Urkirchspiel und Sedesbezirk66
Die frühe Seelsorge im Geismarer Urkirchspiel und die Ablösung der Pfarrkirchen72
Zusammenfassung81
Zur Geschichte der Kirche im hohen und späten Mittelalter81
Die Vereinigung der Mutterkirche Geismar mit dem Petersstift in Nörten (1055)81
Die Funktionen der Geismarer Sedeskirche und ihrer Erzpriester85
Die Geismarer Sedeskirche als Sendkirche85
Zur Landkapitel- und Kalandsfrage87
Die Aufgaben der Geismarer Erzpriester90
Zusammenstellung der bekannten Geismarer Priester aus vorreformatorischer Zeit93
Die Geismarer Kirche im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation96
Die Geschichte der Kirche bis 159796
Die Einführung eines evangelischen Geistlichen von welfischer Seite im Jahre 1597102
Mainzische Versuche der Gegenreformation bis zum Ende des 30jährigen Krieges108
Zur Agrargeschichte vom 13. Jahrhundert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts113
Die Geschichte der Villikation114
Der Zustand um 1250114
Zur Interpretation der Mainzer Heberolle von 1248/49114
Der Herrenhof der Villikation129
Die Lage der Villikationshörigen um 1250122
Zur Geschichte der Villikationsabgaben129
Die Weizen- und Hafergülte oder der "Böningsche Erbenzins"130
Die Schweine- und Schafgülte oder die "Gieseler Hof-Gülte"134
Die übrigen Gülteabgaben136
Zusammenfassung über die Gülteabgaben139
Die Dienstpflicht des abhängigen Villikationslandes140
Die Zehntpflicht des Villikationslandes142
Die Zehntpflicht der Hörigenhufen143
Die Zehntpflicht des Herrenhofes der Villikation (der Bündezehnt)144
Zur Interpretation des Einkünfteverzeichnisses von 1318150
Die Bestimmung der Hörigenhufen152
Zur Auflösung der Geismarer Villikation155
Der villikationsfreie Besitz160
Der adelige Lehnbesitz160
Der Besitz der Herren von Hanstein162
Der Besitz der Herren von Bodenhausen166
Der Besitz der Herren von Kerstlingerode168
Der Besitz der Edelherren von Plesse169
Der Besitz der Herren von Bischoffshausen172
Zusammenfassung173
Der Besitz der Köter175
Das Rodungsgebiet Bischofsberg und die Wüstung Rode177
Zur Entwicklung der Geismarer Grundbesitzverhältnisse während der Göttinger Pfandschaft (1417 -1537)183
Das Geismarer Gerichtswesen unter mainzischer Hoheit bis zum Jahre 1622191
Geismar innerhalb des frühen Gerichtswesens im Leinegau191
Geismar unter der Vogteigerichtsbarkeit von Herrenvögten194
Geismar unter der Gerichtsbarkeit der mainzischen Vicedomini und Amtmänner von Rusteberg (1239 - 1366)197
Geismar unter Pfandgerichtsbarkeit der Herren von Hardenberg (1366 - 1622)200
Das Gerichtswesen während der Göttinger After-Pfandschaft (1417 - 1535)201
Das Geismarer Gerichtswesen vom Ende der Göttinger Pfandschaft bis zur welfischen Belehnung der Herren von Hardenberg (1537 - 1622)206
Die Entwicklung der Gerichtsverfassung zwischen 1537 und 1622206
Die Gerichtsbarkeit im Streit um die Landeshoheit zwischen Kurmainz und Braunschweig-Lüneburg211
Die Straffung der Herrenrechte durch den Gerichtsherren im 16. Jahrhundert216
Der Streit um die Waldnutzung217
Die Auseinandersetzung um Hut und Weide222
Der Streit um die Dienste225
Zusammenfassung229
Geismar im Streit um die Landeshoheit zwischen Kurmainz und den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg231
Die Auseinandersetzung um die Landeshoheit bis zum Jahre 1607232
Die Auseinandersetzung um die Landeshoheit bis zur welfischen Belehnung der Herren von Hardenberg im Jahre 1622236
Die Auseinandersetzung um die Landeshoheit bis zum Vertrag von 1744242
Das Patrimonialgericht Geismar von 1622 bis 1839246
Die Geismarer Gerichtsverwalter246
Die Verwaltungsaufgaben der Gerichtsverwalter247
Die Rechtsprechung der Gerichtsverwalter an den Gerichtstagen250
Das Wrugengericht254
Die Gemeindegerichtsbarkeit257
Der Schulze und der Untervogt als Gerichtspersonen259
Strafzumessung und Strafvollzug263
Die mit der Gerichtsbarkeit verbundenen Rechte266
Die Aufhebung des Gerichtes Geismar am 1. März 1839271
Die Geismarer Agrarverhältnisse um 1750275
Die Besitzverhältnisse276
Zur Allmendenutzung286
Die Waldnutzung287
Die Nutzung der Anger288
Die Auseinandersetzung um die Dienstpflicht295
Der Kauf des Herrenhofes durch die Gemeinde und dessen Auflösung298
Zur Geschichte der Kirche vom 30jährigen Krieg bis zum Jahre 1839302
Die Entwicklung des Patronatrechtes302
Die Einführung der Pfarrer306
Die Aufgaben des Pfarrers308
Das Verhältnis der Pfarrer zur Gemeinde und zum Gerichtsherrn310
Die Einkünfte des Pfarrers316
Das Kirchenvermögen und seine Verwaltung320
Die Kirche und die Pfarrgebäude324
Zur Entwicklung der Bevölkerungszahl und des Siedlungsbildes in der Neuzeit328
Schlußbetrachtung334
Verzeichnis der benutzten Archive337
Verzeichnis der Abkürzungen337
Autorenregister339
Sachregister343
Verzeichnis der Karten
Landesaufnahme 1876
Flurkarte von etwa 1744
Dorfplan von etwa 1744
Siedlungen im Sedesbereich Geismar



Vorwort
Der Anstoß zur Erforschung der Geismarer Geschichte ergab sich aus dem Versuch, im Schulunterricht die Ortsgeschichte exemplarisch für allgemeine strukturgeschichtliche Betrachtungen heranzuziehen. Ich habe meinem Lehrer, Herrn Prof. Dr. Georg Schnath, für die freundliche Förderung dieses Versuchs zu danken und für die Geduld, die er der Arbeit bis zu ihrer Drucklegung zuteil werden ließ. Sie wurde 1965 von der Göttinger Philosophischen Fakultät als Dissertation angenommen. Die folgende Veröffentlichung ist deren kürzere Fassung.

Für sein besonderes Entgegenkommen bei der Benutzung des Göttinger Stadtarchivs habe ich Herrn Oberarchivrat Dr. Walter Nissen zu danken. Ich bin ihm ferner für die Aufnahme dieser Arbeit in die von ihm herausgegebene Reihe der "Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen" verbunden. Dem Niedersächsischen Kultusminister und dem Ortsgemeinderat Geismar gilt mein Dank für die Gewährung von Beihilfen zur Drucklegung.

Hans Tütken




Einleitung
Das Dorf Geismar ist 1964 als Gebietsteil der Stadt Göttingen eingegliedert worden. Am Ende einer eigenständigen Entwicklung dieser Gemeinde versucht die folgende Veröffentlichung einen zeitlich begrenzten Durchblick ihrer Geschichte zu geben. Die Darstellung folgt vor allem strukturgeschichtlichen Fragen und zeichnet weniger eine Ereignisgeschichte nach. Das Quellenmaterial legte diese Entscheidung nahe, aber auch die Abwägung des Bedeutsamen. Nicht so sehr die Taten einzelner und besondere Ereignisse bestimmten das Geschehen der dörflichen Gemeinde, sondern mehr die langdauernde Wirksamkeit von Strukturen, die in stetem Gleichmaß das Leben vieler Generationsfolgen prägten. Als Beispiele mögen dafür die Parzellengliederung der Flur und die Dreifelderwirtschaft stehen, die zusammen ein wenig variiertes Grundmuster des Wirtschaftens über viele Jahrhunderte abgaben. Die folgende Arbeit versucht, die Wirksamkeit, den langsamen Wandel oder die Auflösung solcher Strukturen aufzuzeigen.

Als großer Nachteil wurde empfunden, daß entsprechende regional weitergespannte Untersuchungen für den Göttinger Raum fehlen. Dies trifft einmal für die Siedlungsgeschichte zu, besonders in ihren frühen Phasen. Für die Genese und den Wandel der Herrschaftsverhältnisse fehlen ebenfalls moderne Untersuchungen. Dies gilt sowohl für die mannigfaltigen Versuche der Feudalherren, kleinere und größere Herrschaften zu bilden, als auch für das Verhältnis von Herrschaft und Freiheit, von Herr und Genossenschaft, innerhalb dieser Gebilde. Insbesondere ist die Agrarverfassung, in der sich die soziale Lage der ländlichen Bevölkerung spiegelt, mit ihren hoch- und spätmittelalterlichen Wandlungen noch nicht genügend erforscht. Es fehlt ferner für den Göttinger Raum eine hinreichende Untersuchung der Rechtsprechung in ihrer überörtlichen Organisation. Die kirchliche Verwaltung im Archidiakonat Nörten ist erst vor kurzem Gegenstand einer modernen Untersuchung geworden. Dieser Forschungsstand macht sich in der vorliegenden Arbeit dadurch bemerkbar, daß der Verfasser im ersten Teil bei der Ordnung und Interpretation seiner lokalen Befunde weiter ausgreifen mußte, weil öfter keine Ergebnisse regionaler Forschung vorlagen, auf die er sich in Zustimmung oder Kritik hätte beziehen können.

Die Arbeit hat einen ersten Schwerpunkt in einer siedlungsgeschichtlichen und fluranalytisdien Untersuchung. Dabei wird versucht, für eines der ältesten, siedlungsgünstig gelegenen Dörfer im südlichen Leinetal die Entwicklung des Dorfbildes und der zugehörigen Flur aufzuzeigen.

Geismar war ein Ausgangspunkt der mainzischen Mission im Leinegau. Am Vorabend der Reformation zählten noch 37 Kirchen und Kapellen zur Sedes Geismar und unterstanden deren Erzpriester. In zwei Kapiteln werden die mannigfachen Wandlungen der Seelsorge und der geistlichen Verwaltung in vor- und nachreformatorischer Zeit dargestellt.

Einen weiteren Schwerpunkt der Untersuchung gaben die Veränderungen der Agrarverfassung ab. Man darf vermuten, daß in verschiedenen Rechtsformen aller Grundbesitz in Geismar vom Erzstift Mainz abhängig war, wobei der Villikation eine besondere Bedeutung zukam. Die Arbeit stellt u.a. dar, in welch eigenartiger Weise sich die Geismarer Villikation "auflöste". Unter Umständen ist dieser Vorgang ein Paradigma für die Deutung der noch ungeklärten Entwicklung der Agrarverfassung in Südniedersachsen. In eben diesem Raum zeigen sich ferner Besonderheiten des Meierrechtes, von denen - wie gezeigt wird - auch die neuzeitliche Entwicklung der Besitzverhältnisse in Geismar mitbestimmt war.

Kraft königlicher Immunitätsprivilegien stand dem Erzstift Mainz die Ausübung der Gerichtsbarkeit in Geismar zu. Die Arbeit stellt dar, wie aus dieser Rechtsgrundlage ein dörfliches Hochgericht erwuchs, das durch Verpfändung und den Wandel der Machtverhältnisse zu einem Patrimonialgericht der Herren von Hardenberg unter welfischer Landeshoheit sich entwickelte.

Die ursprüngliche Dissertation enthält noch ein hier nicht abgedrucktes Kapitel über die mittelalterlichen Wehranlagen im Dorf und der Feldmark, worin von der Kirchhofs- und Dorfbefestigung sowie über die göttingischen Warten und Landwehren auf Geismarer Gebiet gehandelt wird. Es mußte ferner aus Raumgründen ein Exkurs über die mainzischen Ministerialengeschlechter der Herren von Geismar und von Reinoldeshusen fortgelassen werden.

Da das Archiv der hardenbergischen Guts- und Gerichtsherrn zum größten Teil im letzten Krieg vernichtet wurde, fehlt jene Quellengruppe, von der genauere Einsichten in die Entwicklung der Geismarer Gutswirtschaft in neuerer Zeit zu erwarten gewesen wären. Dagegen liegt ein noch nicht ausgeschöpftes Material zur Selbstverwaltung der Gemeinde in den detailreichen Gemeinderechnungen vor, die vom Jahre 1725 an erhalten sind.

Das Jahr 1893 wurde zur Begrenzung dieser Arbeit gewählt, weil die Aufhebung des Gerichtes in diesem Jahr bezeichnend für eine Reihe etwa gleichzeitiger Vorgänge ist, in denen sich die Auflösung noch mittelalterlich geprägter Ordnungen vollzieht. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts endet auf diese Weise eine langwährende, vor allem herrschaftsbestimmte Epoche Geismarer Geschichte.


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