Der Kindergarten

Zu den Erfolgen der Zusammenarbeit des ISK mit dem Freidenkerverband gehörte auch die Eröffnung des Kindergartens am 19.8.1928. Im Freidenker Nr. 9 von 1928 ist zu lesen, dass dabei Genossen aus dem ISK, der KP und der SP einmütig mit den Freidenkern zusammen gearbeitet und damit den Beweis angetreten hätten, dass eine Einheitsfront des Proletariats möglich ist. Auch die Mitglieder des sozialistisch-dissidentischen Lehrer-Kampfbundes hätten sich an der Schaffung des Kindergartens nicht nur ideell, sondern auch materiell in hervorragendem Maße beteiligt.1

Der Kindergarten lag in der Groner Landstraße 37b und wurde vom Verein Kinderheim e.V. betreut. Diesen gab der IKS regelmäßig als Nutznießer etwaiger Überschüsse bei Veranstaltungen an, um die Zahlung der Luxussteuer zu umschiffen. Das Grundstück und das Haus, in dem der Kindergarten untergebracht war, gehörten der Gesellschaft der Freunde der politischen philosophischen Akademie R.V. Berlin (Nelsonbund). Dies war der Trägerverein des ISK mit Sitz in Berlin unter Vorsitz von Hellmut Rauschenplath und Heinrich Felsen. Der Trägerverein war ebenfalls Besitzer der Walkemühle und der Geschäftsstelle im Nikolausberger Weg. Geleitet wurde der Kindergarten von Hedwig Steen, ebenfalls ISK, der Ehefrau des Buchhändlers Albert Steen.2 Von 1928 bis 1932 arbeitete dort auch Else Wagner, die in der ISK-Jugend aktiv war.3
Else Wagner erinnerte sich 1986: Im Kindergarten waren ungefähr 25-30 Kinder, alle aus Arbeiterfamilien bis Freidenker. Da hatten wir einen Raum. Und dann haben wir den eingerichtet. Schöne neue Möbel und gepinselt und gemacht, Gardinen genäht und so. Nette Sachen. Mit Spaß drin.4

Der Kindergarten bestand bis 1932. Dort wurden nach Einschätzung der Polizei die Kinder in pazifistischem‚ kommunistischem, marxistischem und gottlosem Sinne erzogen und beeinflußt.5 Nach seiner Schließung wurde die Kinderbetreuung in die Geschäftsstelle verlegt. Dort konnte der Kindergarten noch bis zum Frühjahr 1933 weiter betrieben werden. Bewohnt wurde das Haus allerdings noch von ISK-Mitgliedern.

Am 24.5.1933 wurden im Zuge der Beschlagnahmung des Vermögens staatsfeindlicher Organisationen auch Haus und Grundstück in der Groner Landstraße 37b enteignet.6 Dies galt auch für die Inneneinrichtung.7



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Literatur und Quellen

Bons, Joachim; Denecke, Viola; Duwe, Kornelia; Löneke, Regina; Tapken, Bernd (Hg.) (1986): „Bohnensuppe und Klassenkampf“. Das Volksheim: Gewerkschaftshaus der Göttinger Arbeiterbewegung von der Entstehung im Jahre 1921 bis zu seiner Zerstörung 1944. Göttingen.

Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK). Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 155, Nr. 5.

Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 153, Nr. 21.



1Bons et al. 1986, S. 42, 19.8.1928 - Eröffnung des Freidenker-Kindergartens in Göttingen, Der Freidenker, Nr. 9, 1928.

2Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), S. 76v, Bericht über den ISK und seine Verbindungen zum Landerziehungsheim „Walkemühle“ bei Melsungen vom 29. Mai 1933, maschinenschriftliche Fassung des Berichts von Griethe vom 12. April.

3Bons et al. 1986, S. 87.

4Ebenda, S. 43, Interview 12.2.1986.

5Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), S. 76v, Bericht über den ISK und seine Verbindungen zum Landerziehungsheim „Walkemühle“ bei Melsungen vom 29. Mai 1933, maschinenschriftliche Fassung des Berichts von Griethe vom 12. April.

6Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, S. 11, 24.5.1933 - Bericht des kommissarischen Kassenführers.

7Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), S. 105, 26.8.1933 - Beschlagnahmungen Verein Kinderheim e.V.

Rainer Driever