Das Vorgehen der neuen Machthaber

Die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 (Verordnung 4.2.1933 PDF) sowie die Notverordnung zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (sog. Reichstagsbrandverordnung PDF) bildeten zunächst die rechtliche Grundlage des Vorgehens gegen die KPD und ihre Nebenorganisationen.

In § 2 der Verordnung vom 4. Februar wurde die Zuständigkeit für die einzelnen Maßnahmen festgelegt: Die Ortspolizei war nun verantwortlich für Versammlungsverbote in Stadtkreisen und Orten mit staatlicher Polizeiverwaltung, für die Beschlagnahme und Einziehungen von Druckschriften, für die Polizeihaft und für die Schließung von Räumlichkeiten.1

Die KPD mit ihren Nebenorganisationen wurde nie offiziell verboten. Ihre Reichstagsmandate wurden auf Grundlage der „Reichstagsbrandverordnung“ am 8. März 1933 annulliert, das Vermögen der Partei aufgrund des Gesetzes über die Einziehung des kommunistischen Vermögens vom 26.5.1933 beschlagnahmt (RGBl. 1933, Nr. 55). Ihr - eher theoretisches - Ende fanden die Parteien im Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933.

Beginnende Repression

Am 14. Februar erging durch den Regierungspräsidenten die Aufforderung zu erhöhter Aufmerksamkeit anlässlich geplanter Hungermärsche am 15. Februar, vor allem im Hinblick auf mögliche Plünderungen von Lebensmittel- und Kohlengeschäften.2

Am 17. Februar verfügte Göring den berüchtigten Schießerlass, der der preußischen Polizei den Waffengebrauch gegen kommunistische Terrorakte erlaubte. Neben der Anweisung, mit der SA, der SS und dem Stahlhelm zu kooperieren, wurde die Polizei zum Gebrauch der Waffe gegen Staatsfeinde ermächtigt. Dem Treiben staatsfeindlicher Organisationen sollte nun mit schärfsten Mitteln entgegen getreten werden. Ausdrücklich wurde betont: Polizeibeamte, die in Ausübung dieser Pflichten von der Schusswaffe Gebrauch machen, werden ohne Rücksicht auf die Folgen des Schusswaffengebrauchs von mir gedeckt, wer hingegen in falscher Rücksichtnahme versagt, hat dienststrafrechtliche Folgen zu gewärtigen.

Am 22. Februar erreichte ein Funkspruch der preußischen Regierungskanzlei auch die Ortspolizei Göttingen: KPD versucht, durch Teilnahme an Kundgebungen der Eisernen Front und der SPD, mit Erlass vom 1.2.1933 angeordnete Verbote zu umgehen. Versammlungen unter freiem Himmel und Umzüge der Eisernen Front, der SPD und sonstiger diesen nahestehenden Organisationen bei Gefahr der Beteiligung von Kommunisten verbieten und mit allen polizeilichen Machtmittel(n) verhindern.3

Zudem wurde am 22.2.1933 vom Innenministerium eine strengere Handhabung der Bestimmungen der Verordnung vom 4.2. angemahnt. Dies sei angesichts der sich täglich steigernden Hetze in periodischen Druckschriften, Flugblättern und Plakaten der regierungsfeindlichen Parteien und Verbände unbedingt erforderlich. Innenminister Göring kündigte zudem an, Beamte die es hier an dem notwendigen Diensteifer fehlen lassen, dienststrafrechtlich (zu) belangen.4 Zudem wurde mit Erlass vom 22. Februar die Möglichkeit geschaffen, Mitglieder der SS, SA und Stahlhelm als Hilfspolizisten einzusetzen.

Dem folgte am 26. Februar ein Sammlungsverbot für Geld- und Sachspenden, die der KPD oder ihren Nebenorganisationen zugutekommen sollten.5

Verordnung zum Schutz von Volk und Staat

Die Verordnung ermöglichte Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschränkungen des Eigentums. Dies führte schnell zum Verbot oppositioneller Presse.

Das Klima wurde aufgeladener. Mit den Anfragen und Warnungen vor kommunistischen Aktionen und Bedrohungen wurde ein Bedrohungsszenario gestaltet, dessen Verwirklichung – zumindest durch Ortsgruppen in der Größe der Göttinger – die Möglichkeiten der KPD eindeutig überstieg. Bewusst wurde so unter den Polizeibeamten ein Zustand permanenter Alarmbereitschaft erzeugt.

Eine umfangreiche Aussage des Kellners Karl Krieb aus Hannover über einen geplanten Aufstand und Waffenlager der KPD in Göttingen machte den Anfang. Sie fand zwar Ende Februar offene Ohren bei der Polizei, stellte sich aber als Falschaussage heraus.6

Bereits zwei Wochen zuvor, am 15. Februar, hatte Innenminister Göring angemahnt, wegen der fortgesetzten kommunistischen Angriffe auf die Unterkünfte nationaler Verbände, diese besser zu schützen. Die von den nationalen Organisationen mit dem Hausrecht in diesen Räumlichkeiten ausgestatteten Personen hätten die Pflicht, diese Unterkünfte gegen die Angriffe kommunistischer Rechtsbrecher schützen. Den Verantwortlichen sollten auf Antrag Waffenerwerbs- und Waffenlagerscheine erteilt werden. Solche Angriffe sind für die Region allerdings nicht bekannt.7

Ein Funkspruch des Regierungspräsidenten am 28.2.33 enthielt neben der Anweisung zur Beschlagnahmung sämtlicher kommunistischer Flugblätter und Druckschriften und einer verstärkten Unterstützungstätigkeit von Hilfspolizei und Bereitschaftspolizei vor allem Anordnungen zu gründlichen Durchsuchungsaktionen bei allen kommunistischen Funktionären.8

März

Aufgrund eines weiteren Funkspruches am 3. März wurden an die Bereitschaftseinheiten der Polizei Karabiner und Munition ausgegeben und eine Nachtbereitschaft angesetzt. Vor dem Haupteingang der Polizeiwache wurde ein Posten aufgestellt. Am nächsten Morgen gingen 2 Beamte Streife, eine Eisenbahnwache und die Bewachung des Elektrizitätswerks wurde organisiert.9

Wiederum ein Funkspruch des Regierungspräsidenten war dazu geeignet, die bereits durch ähnlich lautende Meldungen alarmierte Polizei weiter zu beunruhigen. Der Präsident meldete am 4. März, einen Tag vor den Reichstagswahlen, dass für die KPD ab 4.30 Uhr höchste Alarmbereitschaft angewiesen sei. Angriffe wären vor allem gegen Hilfspolizei und NSDAP geplant. Freiheitskundgebungen (hier meinte er wahrscheinlich Demonstrationen) sollten mit Waffengewalt gesprengt werden, denn die Kommunisten wollten die Abhaltung der Wahl verhindern. Dazu wäre ein Eindringen in die Wahllokale gegen 18 Uhr beabsichtigt. Die Wahl in Göttingen verlief hingegen störungsfrei.10 Im Polizeibericht hieß es: In der Nacht vom 5. zum 6. d.Mts. haben sich die Kommunisten ruhig verhalten.11

Die alarmierenden Funksprüche rissen nicht ab. Am 14. März kündigte der Regierungspräsident kommunistische Angriffe auf Schutz- und Hilfspolizeibeamtenstreifen an und beschrieb das Szenario: KPD beabsichtigt in kommenden Nächten Schutz- und Hilfspolizeibeamtenstreifen abzuschiessen. Je vier Kommunisten auf eine Polizeistreife angesetzt. Zwei Kommunisten schiessen ohne Anruf aus Hauseingängen, die beiden anderen Kommunisten bemächtigen sich der Waffen der Beamten. Anzug der Kommunisten: gut bürgerliche Zivilkleidung mit Hut, Handschuhen, Mantel. (…)12

In Göttingen allerdings fanden derlei Angriffe nicht statt. Eine Woche später meldete die Ortspolizei dann auch das Ausbleiben solcher Überfälle auf Polizeistreifen und Angehörige nationaler Verbände.13

April

Wiederum auf einen Funkspruch hin, der vor Brandstiftungen der Kommunisten am 1. April warnte, ordnete Senator Gnade die gesonderte Bewachung von Göttinger Betrieben an. Bewacht wurden das Aerodynamische Institut, das Elektrizitätswerk, die Gasanstalt, die Hauptpost, das Gerichtsgefängnis, die Reichsbank, die Großbunkeranlagen in der Güterbahnhofstraße, im Walkemühlenweg und bei Raab-Karcher-Thyssen in der Weenderlandstraße.14

Am 25. April erreichte ein Anruf von Staatsanwalt Röber die Ortspolizei, daß die Kommunisten außerhalb Flugblätter, betr. Maifeier usw. verteilen. Vermutlich werden sie auch in der Stadt versuchen, Exemplare zu verteilen bzw. unterzubringen. Die Polizei setzte sofort eine Fahrrad-Doppelstreife in Marsch, wobei besonders der Rosdorferweg, die Eisenbahnstraße, der Schiefe Weg (Diese drei Straßen besaßen einen hohen Anteil von KPD Mietern, RD) und die Gronerlandstraße abgefahren wurde. Flugblattverteiler wurden nicht angetroffen.15

Mai

Zum Anheizen der Stimmung und Schüren der Angst vor den Kommunisten trugen auch Zeitungsartikel bei, die von Sprengstofffunden berichteten, wie ein Bericht in der Göttinger Zeitung vom 2. Mai über einen derartigen Fund in einem Teich bei Osterode.16

Die Überwachung der Tätigkeit der KPD beinhaltete auch die Kontrolle von Infiltration in den Verbänden der neuen Machthaber. Nachgefragt nach kommunistischer Zersetzungstätigkeit wurde z.B. bei der SA. Standartenführer Peters konnte aber am 19. Mai 1933 berichten, dass im Gebiet der Standarte 82 keinerlei Übertritte von Kommunisten zum Zwecke der Zersetzung vorgekommen seien.17

Abgefragt wurde dies auch bei der SS. Sturmbannführer Gnade stellte nur wenige Übertritte von Kommunisten im Bereich der 51. SS-Standarte fest. Der I. und II. Sturmbann der 51. SS-Standarte melden, dass von Seiten der KPD überhaupt keine Übertritte erfolgt sind. Die wenigen im III. Sturmbann der 51. SS-Standarte (Kreiensen, Holzminden, Gandersheim) übergetretenen Leute sind wie jeder andere SS-Anwärter in Lehrstürmen zusammengefasst, sodass Zersetzungsversuche ausgeschlossen sind.18 Auf Anordnung von Regierungspräsident Muhs sollten diese Beobachtungen fortgeführt werden.19

Am 26. Mai resümierte die Polizei die polizeiliche und politische Lage der ersten Maihälfte: Außerordentliche politische Vorkommnisse wären nicht zu verzeichnen. Die allgemeine Lage hat sich etwas beruhigt. Nur ist in letzter Zeit verschiedentlich noch von Kommunisten illegal gearbeitet worden. Eine Anzahl der Täter sind ermittelt, teilweise sind sie dem Gerichtsgefängnis zugeführt, einige befinden sich noch in Polizeihaft. (…) in der Berichtszeit sind Sprengstoffe und Waffen nicht aufgefunden. In der Zeit vom 1.3. bis 25.5.1933 sind 39 Personen in politischer Hinsicht festgenommen worden. (...)20

Am 27. Mai erging das Gesetz zur Einziehung kommunistischen Vermögens.21 Darauf folgte am 7.6.1933 die entsprechende Durchführungsverordnung für Preußen.22

Die Kommunistenangst griff teilweise auch auf Polizeibeamte über. Bei Krim.Ass. Döring wurde in der Nacht zum 28.5. anscheinend mehrfach versucht, sich mit verschiedenen Schlüsseln Einlass zu verschaffen. So mutmaßte Döring denn auch, dass vielleicht von radikalen Elementen, Kommunisten, geprüft worden ist, mit welchem Schlüssel die Haustür zu öffnen ist (...).23

Juni und später

Dieses Bedrohungsszenario wurde durch Anfragen wach gehalten, die durchaus prominente Personen betreffen konnten. Am 8.6.33 erfolgte eine Anfrage des Gestapa Berlin an die Polizeiverwaltung Göttingen mit Bitte um Auskunft zum Physik-Professor Max Born: Liegen Beziehungen zu Kommunisten vor?24

Am 31.7.1933 kam es zu ersten Verurteilungen Göttinger Kommunisten wegen Verbreitung des illegalen Roten Stürmers der KPD-Ortsgruppe. Verurteilt wurden Fritz Schaper und Albert Weitemeier zu je 1 Jahr 6 Monaten, Rudolf Kräußlein, Ernst Möhring und Martin Strauss zu je 1 Jahr, Kreitz zu 10 Monaten und Peter Ortmanns zu 10 Monaten Gefängnis.25

Eine verstärkte Überwachung wurde anlässlich des Antikriegstages am 1. August angeordnet. Allerdings wurden dabei Klebe- oder Malkolonnen der Kommunisten in Göttingen nicht beobachtet. Auch eine Überwachung der Stempelstellen und Betriebe auf kommunistische Kundgebungen verlief ergebnislos.26

Ebenso negativ verlief Mitte August eine Anfrage nach ausgebildeten Sprengmeistern, die der KPD nahegestanden hatten.27

Auch wurden natürlich einzelne Personen überwacht, von denen die Polizei annahm, dass sie sich weiterhin staatsfeindlich betätigten. Das Überwachungsergebnis fiel z.B. für Willi Eglinsky und Johann Osche im August negativ aus (bereits einen Monat später wurde Eglinsky in Untersuchungshaft genommen, die Beobachtung Osches ging weiter).28

Am 4. Oktober erließ der preußische Innenminister Göring eine „Neuauflage“ seines Schiesserlasses vom Februar. Die kommunistischen Organisationen seien zwar zerschlagen, ein Rest kommunistischer Hetzer störe aber den Aufbau des nationalsozialistischen Staates durch seine Wühlarbeit, insbesondere mittels Handzetteln. Göring ermahnte die Polizei, gegen Flugblattverteiler rigoros vorzugehen. Wenn diese sich nicht nach dem ersten Anruf stellten, ist sofort rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Göring versicherte, die Schießenden zu decken und zögernde Polizeibeamte zu bestrafen.29

Ein Funkspruch vom Regierungspräsidenten in Hildesheim wies die Ortspolizei am 4. November auf eine geplante Flugblattaktion hin. Dabei sollten aus den Niederlanden stammende Flugblätter an einem Tag im Reich verbreitet werden. Die Göttinger Polizei überwachte in der Nacht zum 5.11.33 die KPD-Funktionäre, beobachtete aber keine Verteilungs- oder Klebeaktionen. Allerdings räumte sie die Möglichkeit ein, dass die erhöhte Ermittlungstätigkeit bemerkt worden war.30 Zudem wurde von der Kreisleitung des Nachrichtendienstes der NSDAP vor KPD-Flugzetteln in Postkartengröße mit der Aufschrift Stimmt mit nein zur Reichstagswahl in Göttingen gewarnt.31

Mitte November wurden die Schutzhäftlinge des Jahres 1933 sowie die in der Stadt verbliebenen Kommunisten zu einem Termin bei Polizeidirektor Gnade vorgeladen.32 Was ihnen dort eröffnet wurde, ist unbekannt, aber eine Warnung vor weiteren politischen Aktivitäten doch wahrscheinlich.

1934

Die Präsenz der Kommunisten in den Polizeiakten nimmt ab dem Jahre 1934 deutlich ab. Trotzdem die ehemaligen KPD-Mitglieder aus dem Stadtbild verschwunden waren, wurde dennoch zu besonderen Terminen eine verstärkte Kontrolle durchgeführt.

Am 4. Januar 1934 gelangte die Stapo-Stelle Hannover an eine Abschrift des Mitteilungsblattes der Bezirksleitung Hannover. Darin waren Formen und Methoden der konspirativen Arbeit beschrieben. Das Mitteilungsblatt wurde an alle Verfolgungsbehörden versandt. Zudem wurde ein zusammenfassender Bericht an die Gestapa Berlin gesandt.33 (Bericht Lenins Weg PDF)

Die Überwachung kommunistischer Zersetzungstätigkeit wurde im Jahre 1934 fortgesetzt.34 Dazu gehörte auch die Beantwortung von Anfragen Göttinger Betriebe. Im April 1935 bescheinigte die Ortspolizei für die Firma R. Winkel dem Mechaniker Willi Siegel, dass er dem Spartakusbunde nahestand und sich an kommunistischen Unternehmungen beteiligte. Eine Beschäftigung des Siegel in einem heereswichtigen Betrieb sei aus Sicherheitsgründen unmöglich.35

1935

Das Gestapa in Berlin wies die Ortspolizei am 1. Juli 1935 auf den international angelegten Thälmann-Kampftag am 6. und 7. Juli hin, der aber in der Stadt kein Echo hatte.36

Etwas später wurde protokolliert, dass in der Gastwirtschaft von Stieg, Obere Maschstraße 8, eine außerhalb Göttingens wohnende Person verkehre, die mit dem Kraftwagen IS 23061 vorfahre. Da diese Person in Kreisen früherer KPD-Leute verkehre, besteht der Verdacht, daß sie evtl. als Kurier tätig ist.37

Die Staatspolizeistelle Hildesheim meldete für den November 1935, dass die illegale KPD mit allen Mitteln versuche, innerhalb der Landkreise Northeim und Göttingen den Aus- und Aufbau ihrer Gliederungen vorzunehmen. Zu diesem Zweck würden Mitglieder der KPD, SPD sowie der Schwarzen Front zusammenarbeiten. Zwischen dem Landkreis Göttingen beständen über Northeim direkte Kurierverbindungen der KPD nach Hannover. Die Eidgenossen (Schwarze Front) unterhielten Kurierverbindungen von Northeim über Göttingen und Hameln nach Kassel. Hetzschriften wären keine festgestellt. Im Gebiet Göttingen sei der Internationale Sozialistische Kampfbund in Verbindung mit der KPD in Erscheinung getreten. Zudem wären im Kaliwerk Reyershausen einige Marxisten beschäftigt, die informelle Zusammenkünfte organisierten und so den Aufbau der illegalen KPD vorantrieben.38 Ein Zugriff wäre 1935 allerdings noch nicht geplant, die Entwicklung aber würde genau beobachtet und weiter ermittelt.39

Am 2. Dezember 1935 warnte die Gestapa Berlin vor marxistischen Grabrednern. Es wäre beobachtet worden, dass Trauerfeierlichkeiten für verstorbene bekannte Marxisten durch Heranziehung weltlicher Grabredner in geschickter Weise zu marxistischen Kundgebungen ausgestaltet werden. Sichergestellt werden sollte ein Verbot des Auftretens ehemaliger Marxisten zu solchen Gelegenheiten sowie eine Überwachung von Trauerfeierlichkeiten für bekannte Marxisten.40

1936

Im Lagebericht der Staatspolizeistelle Hildesheim heißt es im März 1936: Nachdem, wie im vorigen Bericht mitgeteilt, in den Stadtbezirken Hann.-Münden, Göttingen und im Landkreise Northeim erfolgreich gegen die illegale KPD und den lnternationalen-Sozialistischen Kampfbund (ISK) eingeschritten worden ist und zahlreiche Festnahmen erfolgt sind, ist in der Berichtszeit ein organisiertes Auftreten der KPD- und ISK-Anhänger nicht beobachtet worden.41 (Verhaftungen Münden)

Die Reichstagswahl vom 29. März 1936 fand zugleich mit der nachträglichen Volksabstimmung über die Ermächtigung zur Rheinlandbesetzung statt. Für die Überwachung der Kommunisten bei den Wahlen schlug SA-Sturmbannführer Lange am 17.3.1936 vor, dass die zur Kontrolle eingesetzten Parteiangehörigen dazu nicht in Uniform erscheinen sollten. Zudem seien solche Pg. heranzuziehen, die bereits länger in Göttingen wohnten und denen die Kommunisten bekannt waren.42

Im Juni warnte die Stapo-Stelle Hildesheim vor Kommunisten, die unter den sich zur Landarbeit Meldenden stark vertreten seien. Die Stapo vermutete, dass dies eine planmäßige Abwanderung auf das Land ist, da die kommunistischen Elemente glauben, dort ungestört ihre Wühlarbeit wieder aufnehmen zu können, weil sie zunächst unbekannt sind.43

Mit dem großen Prozess gegen Göttinger Kommunisten im August 1937 vor dem Oberlandesgericht Kassel verliert sich die Spur von organisiertem Widerstand aus den Reihen der ehemaligen KPD-Mitglieder und -sympathisanten. Auch die sonst so häufig aufgetretenen Warnungen vor Aktionen der Kommunisten finden sich nicht mehr in den Polizeiakten.



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Literatur und Quellen:

Anfragen und Beobachtungen über Personen in politischer Hinsicht: Personenbeobachtung. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir. Fach 31a, Nr. 14.

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Übergangszeit. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 4.

Beschlagnahme staatsfeindlichen Vermögens. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 10.

Durchsuchungen und Festnahmen: Verfolgung Systemgegner. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 9.

KPD - Generalakten der kommunistischen Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 1.

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 1a.

Mlynek, Klaus (1986): Gestapo Hannover meldet--. Polizei- und Regierungsberichte für das mittlere und südliche Niedersachsen zwischen 1933 und 1937. Hildesheim: A. Lax (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen XXXIX, Niedersachsen 1933-1945, Bd. 1).

Schumann, Wilhelm (1973): Ihr seid den dunklen Weg für uns gegangen … : Skizzen aus dem Widerstand in Hann. Münden 1933 - 1939. Frankfurt/Main: Röderberg-Verl.

Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft): Schutzhaft, Haussuchungen, Notverordnungen. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 1, Bd. 2.

Sicherheitspolizei im Allgemeinen. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 30, Nr. 1.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.

Wahlen. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 153, Nr. 5.



1Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft), S. 6, Regelung Zuständigkeiten aufgrund der Verordnung zum Schutz des deutschen Volkes vom 4. Februar 1933, Göring, 8. Februar 1933.

2KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 79, Ortspolizei Anruf Pol.OberInspek. Hautesau aus Anlass Gespräch mit Reg.Präs., 14.2.1933.

3Ebenda, S. 86, Funkspruch Berlin an Reg.Präs., KPD, 22.2.1933.

4Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft), S. 9, Innenministerium, pressepol. Bestimmungen, 22. Februar 1933.

5Göttinger Zeitung, 2.3.1933 - Beilage.}

6KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 94–99, Ortspolizei Waffenlager und Verschwörungstheorien, Angaben Krieb, 28.2.1933.

7Sicherheitspolizei im Allgemeinen, S. 142, Preuß. Minister des Innern, Berlin 15.2.1933, Schutz der Unterkünfte nationaler Organisationen gegen Überfälle an u.a. die Ortspolizeibehörden.

8KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 87–88, 28.2.1933: Funkspruch Reg.Präs.Hildesheim an alle Polizeibehörden, Verbot KPD-Aktivitäten.

9Ebenda S. 120-120v, Ortspolizei Bericht, Waffenausgabe, 3.3.1933.

10Wahlen, S. 87-87v, 4.3.1933 - Funkspruch Reg.Präs. Hildesheim durch Landratsamt.

11KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 121, Ortspolizei Bericht, Angriffe KPD, 6.3.1933.Weitere Beobachtungen mit negativem Ergebnis ziehen sich bis zum 20.4.1933 hin.

12KPD - Generalakten der kommunistischen Partei, S. 463, Funkspruch Berlin an Ortspolizeibehörden, 14.3.1933.

13KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 101, Ortspolizei Bericht Ippensen - Überfälle, 22.3.1933.

14Ebenda, S. 157-157v, Funkspruch Berlin über Landratsamt Göttingen, 30.3.1933.

15Ebenda, S. 168-168v, Anruf Staatsanwalt Röber, 25.4.1933.

16Göttinger Zeitung, 2.5.1933, Goslar Dynamitfund.

17KPD - Generalakten der kommunistischen Partei, S. 470, SA der NSDAP, Standarte 82, Abt. VII Hn., Jüdenstraße 12, an Polizeidirektion, Zersetzungstätigkeit von Kommunisten, 19.5.1933.

18Ebenda, S. 469, SS-Standarte 51 an Ortspolizei, 19.5.1933, Kommunistische Zersetzungsarbeit in ant. Verbänden.

19KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 221, Reg.Präs. Hildesheim an Ortspolizeibehörden, 8.6.1933.

20Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Übergangszeit, S. 170–172, 26.5.1933 Ortspolizei an Reg.Präs. Hildesheim - Bericht über die polizeiliche und politische Lage.

21Beschlagnahme staatsfeindlichen Vermögens, S. 15, 27.5.1933 - Reichsgesetzblatt Nr. 55- Einziehung kommunistischen Vermögens.

22Ebenda, S. 18, 7.6.1933 - Durchführungsverordnung "Einziehung kommunistischen Vermögens".

23KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 209-209v, Bericht, Prüfung von Türschlössern bei Polizeibeamten, 29.5.1933.

24Anfragen und Beobachtungen über Personen in politischer Hinsicht, S. 31 Anfrage von Funkstelle GeStaPo Berlin an die Polizeiverwaltung Göttingen, 8.6.1933.

25KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 244, Ortspolizei, Bericht Ippensen zum Prozess gegen KPD'ler. 31.7.1933.

26Ebenda, S. 255, Bericht Kommunistische Werbung für Antikriegstag, 4.8.1933.

27KPD - Generalakten der kommunistischen Partei, S. 448, Bericht Ippensen auf Nachfrage, 18.8.1933.

28Durchsuchungen und Festnahmen, S. 11, Ortspolizei: Überwachung Willi Eglinsky (Geismarlandstraße 25c) und Johann Osche (Lange Geismarstraße 59), 19.8.1933.

29Schumann 1973, S. 97, 4.10.1933 - Preuß. Innenministerium an Reg.Präs., Pol.Präs., Stapo-Stellen - Schusswaffengebrauch gegen flugblattverteilende Kommunisten.

30KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 268, Funkspruch Reg.Hildesheim, Kommunistische Flugblätter, 4.11.1933.

31Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 317, 11.11.1933: Meldung der Kreisleitung des Nachrichtendienstes der NSDAP Tebbe an Ortspolizei.

32KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 268v, Bericht Vorführung Kommunisten, 13.11.1933.

33Ebenda, S. 273–274, Stapo-Stelle Hannover, 1.Mai-Agitation der KPD, 21.4.1934. Lagebericht der Staatspolizeistelle Hannover an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin für den Monat Dezember 1933 / 5. Januar 1934, Nds. HStAH: Hann. 180 Hannover Nr. 798, f. 161-164. Abschrift. Bezug: ,,Rundverfügung vom 23. 12. 1933 - l A 2/7/105.".

34Ebenda, S. 224, Bericht, komm. Zersetzungstätigkeit und Möller, 31.7.1934.

35Anfragen und Beobachtungen über Personen in politischer Hinsicht, S. 245, R.Winkel GmbH an Ortspolizei, Bitte um Auskunft über den Mechaniker Willy Siegel, 15.4.1935.

36KPD - Generalakten der kommunistischen Partei, S. 534, Gestapo Berlin "Thälmann-Kampftag", 1.7.1935.

37Anfragen und Beobachtungen über Personen in politischer Hinsicht, S. 274, Bericht, KFZ, 26.8.1935.

38Mlynek 1986, S. 448–449, Lagebericht der Staatspolizeistelle Hildesheim an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin für den Monat November 1935 / 2. Dezember 1935, GStA: Rep. 90-P Nr. 3, H. 4.

39Ebenda, S. 481, Lagebericht der Staatspolizeistelle Hildesheim an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin für den Monat Dezember 1935 / 7. Januar 1936, GStA: Rep. 90-P Nr. 3, H. 4.

40Schutz des deutschen Volkes (Schutzhaft), S. 131, Gestapa Berlin an alle Stapostellen, 2. Dezember 1935.

41Mlynek 1986, S. 524–525, Lagebericht der Staatspolizeistelle Hildesheim an das Geheime Staatspolizeiamt Berlin für den Monat Februar 1936 / 4. März 1936, BA: R 58/604. Abschrift.

42Wahlen, S. 107

43KPD - Generalakten der kommunistischen Partei, S. 547, Preußische Geheime Staatspolizei, Stapo-Stelle Hildesheim, KPD Landarbeiter, 23.6.1936.

Rainer Driever