Abriss der Stadtgeschichte |
Die Universität hatte nach einem vorübergehenden
Rückgang von Ansehen und Studentenzahlen seit der Mitte des 19.
Jahrhunderts und insbesondere unter preußischer Verwaltung einen
erstaunlichen Wiederaufschwung erlebt, der vor allem die
naturwissenschaftlichen Disziplinen betraf. Beginnend mit Johann Carl
Friedrich Gauß, der seit 1807 bis zu seinem Tode 1855 in
Göttingen lehrte, lebten und wirkten an der Georgia Augusta
zahlreiche weltberühmte Wissenschaftler.
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Die militärische Niederlage der deutschen Heere im Herbst 1918
ließ das politische System des von Bismarck gegründeten
deutschen Kaiserreiches zusammenbrechen. In der Novemberrevolution des
gleichen Jahres wurden überall in Deutschland die Monarchen von
den Thronen gestürzt, und es entstand erstmals auf deutschem Boden
ein demokratisches Staatswesen. Diese sog. Weimarer Republik blieb
jedoch nicht zuletzt aufgrund der ablehnenden Haltung weiter Kreise des
national-konservativ gesinnten Bürgertums und der führenden
Schichten in Militär, Verwaltung, Justiz und Wissenschaft
politisch instabil. Da diese Gruppen in Göttingen
überproportional stark vertreten waren, verwundert es nicht,
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Die Herrschaft der Nationalsozialisten im sog. "Dritten
Reich" gründete sich auf Terror und Unterdrückung.
Politische Gegner wie Sozialdemokraten und Kommunisten, gläubige
Christen aller Konfessionen und viele andere Gruppen, vor allem aber
die sog. "rassisch Minderwertigen" wie Juden und Zigeuner,
wurden drangsaliert, inhaftiert, vertrieben und ermordet. Dies alles
geschah in der Regel nicht wild und ungezügelt, sondern in
geordneter, ja ordentlicher Weise, verwaltungsmäßig und
damit letztlich auch öffentlich. Menschen jüdischen Glaubens
oder mit jüdischen Vorfahren wurden systematisch aus Verwaltung,
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Den Zweiten Weltkrieg, der am 1. September 1939 mit dem Angriff
Deutschlands auf Polen begann, hat Göttingen - verglichen mit
benachbarten Städten wie Kassel oder Hildesheim - glimpflich
überstanden. Das Ende verlief unblutig: aufgrund glücklicher
Umstände und durch das Zusammenwirken besonnener Akteure konnte
die Stadt am 8. April 1945 kampflos von amerikanischen Truppen besetzt
werden.
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Bei all den Schwierigkeiten der Nachkriegszeit bedeuteten die
Unversehrtheit von Stadt und Universität, die mit Erlaubnis der
britischen Besatzungsmacht bereits zum Wintersemester 1945/46 ihren
Lehrbetrieb wieder aufnahm, einen unschätzbaren Startvorteil.
Göttingen wurde zum Sammelbecken für Menschen vor allem aus
akademischen und künstlerischen Berufen. Werner Heisenberg,
bereits in den zwanziger Jahren als Privatdozent an der Göttinger
Universität tätig, kehrte 1946 hierher zurück und lehrte
von 1947 bis 1958 an der wiederaufblühenden Georgia Augusta. Am
26. Februar 1948 wurde in Göttingen die Max-Planck-Gesellschaft
gegründet, deren erster Präsident der Nobelpreisträger
und spätere Göttinger Ehrenbürger Otto Hahn war. Im
gleichen Jahr versammelten sich in Göttingen am 19. November vom
Nationalsozialismus unbelastete Schriftsteller, unter ihnen Erich
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Trotz des sich vielfältig und bunt entfaltenden neuen Lebens
hatten sich in der 1949 gegründeten Bundesrepublik für
Göttingen die Rahmenbedingungen grundsätzlich eher
verschlechtert. Aus einer zentralen Lage innerhalb Deutschlands war es
an die Peripherie gerückt, und die im Zuge des Kalten Krieges
immer undurchlässiger werdende innerdeutsche Grenze schnitt die
Stadt von einem wesentlichen Teil ihres alten Einzugsgebietes und
Hinterlandes ab. Vierzig Jahre mussten vergehen, bis nach dem
Zusammenbruch der DDR im Herbst 1989 und dem Beitritt der fünf
ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik Göttingen jetzt wieder
"mitten in Deutschland", ja in Europa liegt.
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(Auszug aus: Ernst Böhme: Göttingen: kleiner Führer durch die Stadtgeschichte) |