Albert Wachsmuth
Die Verhaftung von Wachsmuth ist ein gutes Beispiel für den Einsatz des Repressionsmittels Schutzhaft seitens der NSDAP und ein seltenes Dokument für einen Widerspruch bzw. eine andere Einschätzung durch die Polizei.
Der NSDAP-Nachrichtendienst meldete am 7. Juli 1933 an den Landrat:
In der Nacht vom 4. zum 5. Juli 33 wurde von mir in dem Gelände in der Nähe von Hann. Münden (etwa 3 km von Münden entfernt) eine Überwachung der dort befindlichen Lauben vorgenommen, da mir eine Meldung über dort abgehaltene kommunistische Versammlungen gemacht worden war. Es wurde hierbei, nach Durchführung einer geheimen kommunistischen Versammlung, der mir als ehemaliger kommunistischer Funktionär bekannte Alb. Wachsmuth – Hann. Münden auf frischer Tat ertappt. Bei einer Durchsuchung wurden eine kommunistische Druckschrift, eine kommunistische Fahne und ein Gummiknüppel gefunden. In dem Vorhandensein der kommunistischen Druckschrift erblicke ich einen Verstoss gegen die Notverordnung des Herrn Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat. Ich beantrage deshalb die sofortige Schutzhaft für Wachsmuth, da der unbedingte Verdacht weiterer strafbarer Handlungen vorliegt.
Wachsmuth wurde nach vorheriger Inkenntnissetzung der zuständigen Polizeibehörde in Hann.-Münden auf die Polizeiwache Göttingen gebracht und von da am 5. d.Mts. in das Gerichtsgefängnis.1
Der
Landrat Bodenhausen wandte sich an die Ortspolizei Münden, um
den Vorgang aufzuklären. Diese antwortete am 8. Juli: Der
Nationalsozialist Pfeiffer hat am Anschluss an die Mitnahme des
Wachsmuth folgendes Schreiben zur Polizeiwache gesandt: "Wachsmuth
- Jüdenstr. 8, verhaftet zum Schutze von Volk und Staat durch
Propaganda Hpt.Abt. III, Göttingen-Land."
gez. Pfeiffer,
Leiter der NSDAP Abt. II b
Die
Polizeiverwaltung hat in keiner Form mitgewirkt. Soweit festgestellt,
ist W. von seinem Gartenhaus aus von Pfeiffer und SS-Leuten von
Göttingen abgeholt worden.
W. ist allerdings Kommunist, ist
hingegen politisch gesehen, als eher harmloser Mensch
anzusprechen.
Daß W. sich ab und zu in seinem Gartenhaus
aufhielt, war hier bekannt.
Die Polizeiverwaltung würde
aufgrund der Verordnung zum Schutz von Volk und Staat vom 28.2.1933
eine Schutzhaft nicht verhängen.2
Spätestens am 10. Juli wurde die Schutzhaft gegen Albert Wachsmuth aufgehoben.3
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Quelle
Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 85.
1Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 95,7.7.1933 - NSDAP Nachrichtendienst Göttingen an Landrat von Bodenhausen.
2Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 96, 7.7.1933 - Landrat an Ortspolizei und zurück – Wachsmuth.
3Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 97-97v, 10.7.1933- Landrat an Kreispropagandaleitung, Hpt.Abt III Nd.
Rainer Driever