Bernhard Scharf

wurde zusammen mit 8 anderen Kommunisten am 28. März 1933 inhaftiert.1 Bernhard Scharf (17.8.1895 - 1.8.1964) war Gartenbaumeister und wohnte in der Bahnhofstraße in Hann. Münden.

Bereits am 30. März hatten die Verhafteten eine Beschwerde über die Inschutzhaftnahme an den Landrat geschickt. Dies gehörte zum Standardvorgehen gefangener KPD'ler.2

Ende Juni bat die Ortspolizei den Landrat, die Entlassung Scharfs abzulehnen: (...) kommt nicht in Frage, da die Rückkehr nach Münden eine Rückenstärkung der Kommunisten bewirken würde. Scharf, der geistig weit über dem Durchschnitt steht, war der Kommunist, der die Richtlinien für das Verhalten gab und eine reiche, kommunistische Literatur besaß. Erschwerend fällt ins Gewicht, daß in den letzten Tagen die Kommunisten hier eine emsige Tätigkeit zu entfalten scheinen, sodaß erst wieder am 24.6. und 26.6. mehrere Kommunisten in Schutzhaft genommen werden mussten. Da in Münden der rote Terror zuletzt hemmungslos wütete, muß hier ein strenger Maßstab angelegt werden. (Deshalb könne) weder eine Entlassung noch eine Beurlaubung befürwortet werden.3 Am 10.7.1933 vermerkte der Landrat noch einmal ausdrücklich, dass die Schutzhaft wegen der bei der Haussuchung gefundenen illegalen Flugblätter auch weiterhin erforderlich wäre (ebenso wie für Dora Neubauer, Ludwig Risch, Richard Scharf, Böhle, Pszolla, Gustav Risch, Bauersachs und Seifenreuter).4

Am 24. August wurde Bernhard Scharf in Abwesenheit vom Amtsgericht Hann. Münden wegen unbefugten Waffenbesitzes zu einem Monat Gefängnis verurteilt worden. Die Ortspolizei hatte keine Bedenken, dass der Schutzhaftgefangene Bernhard Scharf aus Münden zur Verbüßung einer Strafe in das Gerichtsgefängnis Göttingen gebracht wurde. Danach sollte er jedoch wieder in das Konzentrationslager Moringen überführt werden. Anzunehmen ist, dass Scharf aufgrund der Verfügung des Regierungspräsidenten von Anfang Juni als länger Inhaftierter Schutzhäftling noch im Juni nach Moringen überführt worden war.5

Eine Haft zog normalerweise den Verlust der bisherigen Arbeitsstelle nach sich. Im Falle von Bernhard Scharf kam noch etwas hinzu. Da er als Stadtgärtner eine städtische Werkwohnung bewohnte, musste auch diese geräumt werden.6

Weil er als „fanatischer“ Kommunist galt, kam auch eine Beurlaubung, die durchaus üblich war, bei Bernhard Scharf nicht in Frage. Eine betreffende Eingabe vom November 1933 wurde mit der Begründung abschlägig beschieden, dass Scharf im Februar 1933 für die Kommunistische Partei als Bürgervorsteher aufgestellt war.7

Die permanent negativen Beurteilungen der Mündener Ortspolizei stießen im November 1933 auf den Widerspruch des Landrats: es läge immer noch kein Beweis vor, dass sich Scharf als Agitator, Funktionär oder ähnliches betätigt habe. Nach meinen eingehenden persönlichen Feststellungen hat der Kommunist Scharf nur in losem Verhältnis zu der Organisation der KPD. gestanden, war ein Edelkommunist, der geistig den übrigen Kommunisten weit überragend war, der sich eingehend (mit) dem Studium der kommunistischen Literatur beschäftigt hat. Er leitete den sog. „Intelligenzklub”, dem unter anderen auch ein hiesiger Dr. John und die Ehefrau des ehemaligen Landrats Weber angehörten, die nicht in Schutzhaft genommen sind.
Trotz der Stellungnahme der Ortspolizeibehörde Münden bitte ich die Freilassung des Sch. erwirken zu wollen.
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Nachdem auch der Regierungspräsident sein Einverständnis gegeben hatte,9 wurde Bernhard Scharf am 26. November aus der Schutzhaft in Moringen entlassen.10

1934

Anfang des Jahres 1934 verbüßte Bernhard Scharf im Gerichtsgefängnis Göttingen bis 17.2.1934 eine Gefängnisstrafe. Über den Grund ist nichts bekannt.11 Gegenüber seinen Mitgefangenen meinte Scharf kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen. Er erzählte über den Alltag in Moringen und den Terror dort. Einer der Mitinsassen seiner Zelle gab zu Protokoll: (...) Es ist nicht mehr auf der Zelle auszuhalten. Der Scharf macht nichts wie hetzen gegen alles was vom jetzigen Staat geschaffen worden ist. Die Nat.Soz. nennt er Idioten. Ich kann es fast alles gar nicht wiedergeben, wie er hetzt. (...)12 Strafanstaltsdirektor Braun berichtet noch von einer anderen Vernehmung über die Äußerungen Scharfs. Der Häftling hätte ausgesagt: Ich bin mit dem Strafgefangenen Scharf, Bernhard aus Hann.Münden in einer Zelle mit mehreren Gefangenen untergebracht. Scharf ist ein gefährlicher Kommunist, welcher nur hetzerische Reden führt. Er entwickelt uns das kommunistische Programm.13 (Aussage PDF)

Braun richtete sich an den Oberstaatsanwalt in Hannover: Auf Grund beigefügter Vorgänge wird angenommen, daß Scharf am 17. d. Mts. nicht auf freien Fuß kommt, sondern in Gewahrsam verbleibt. Es wird daher um baldgefl. (baldgefällige) Mitteilung gebeten.14 Am 15. Februar, kurz vor Ablauf der Gefängnisstrafe, teilte der Landrat Scharf mit, dass über ihn eine weitere Schutzhaft verhängt wurde, da Sie bei den Mitgefangenen erneut gegen den nationalsozialistischen Staat gehetzt und Ihr kommunistisches Parteiprogramm entwickelt haben.15 So saß Bernhard Scharf ab dem 17. Februar erneut im Gerichtsgefängnis in Göttingen, diesmal als Schutzhäftling. Von dort wurde er relativ schnell in das Konzentrationslager Papenburg Esterwegen überführt.16 Dort wurde Scharf bereits am 31. März 1934 wieder entlassen,17 wobei unklar bleibt, ob die entlastende Aussage eines Mitgefangenen in Scharfs Zelle in Göttingen vom 24. März dafür den Ausschlag gab (Soweit ich gehört habe, hat er nicht dauernd hetzerische Reden geführt. Er war aber ein unterhaltungsbedürftiger Mensch. (...) (Er hat) über Moringen nichts erzählt.18).

Wilhelm Schumann setzte dem Leben und der Leidensgeschichte des Kommunisten Bernhard Scharf später in seinem Buch „Ihr seid den dunklen Weg für uns gegangen ...“ ein Denkmal. Da Schumann Scharf kannte und ebenfalls ein Leidtragender der Verfolgung bzw. Mitglied des Widerstands in Hann. Münden war, sei seine Geschichte hier ganz zu lesen. (PDF)





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Quellen:

Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 94.

Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 85.



1Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 12, 28.3.1933 - Ortspolizei Münden - Hausuchungen und Festnahmen KPD.

2Ebenda, S. 13, 4.4.1933 - Landrat an Reg.Präs. Hildesheim - Bitte um Abweisung der Beschwerden der Inhaftierten.

3Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 62v, 27.6.1933 - Ortspolizei Hann. Münden an Landrat - Entlassung Scharf abzulehnen.

4Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 18, 10.7.1933 - Landrat - Bericht Schutzhäftlinge.

5Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 66, 29.8.1933 - Landrat an Amtsgericht Hann. Münden - Bernhard Scharf.

6Ebenda, S. 65, 24.8.1933 - Ortspolizei Hann. Münden an Landrat – Scharf.

7Ebenda, S. 69v, 10.11.1933 - Ortspolizei Hann. Münden an Landrat - Sache Scharf.

8Ebenda, S. 70, 14.11.1933 - Landrat an Reg.Präs. Hildesheim - Bitte um Freilassung Scharfs.

9Ebenda, S. 71, 23.11.33 - Reg. Präs. Hildesheim an Landrat.

10Ebenda, S. 72, 26.11.1933 - Kommandant Moringen an Landrat.

11Ebenda, S. 76, 12.2.1934 - Strafanstaltsinspektor Braun (Gerichtsgefängnis) an Oberstaatsanwalt Hannover - Sache Scharf.

12Ebenda, S. 78, 12.2.1934 - Abschrift Aussage Siering - Aussage gegen Scharf.

13Ebenda, S. 77-77v, 12.2.1934 - Gerichtsgefängnis - Abschrift Aussage Heydtmann, geb. am 28.12.09 in Berlin

14Ebenda, S. 76, 12.2.1934 - Strafanstaltsinspektor Braun (Gerichtsgefängnis) an Oberstaatsanwalt Hannover - Sache Scharf.

15Ebenda, S. 80, 15.2.1934 - Landrat an Bernhard Scharf - Wiederverhängung Schutzhaft.

16SEbenda, S. 82, 24.2.1934 - Verwaltung Konzentrationslager Papenburg – Scharf.

17Ebenda, S. 86, 31.3.1934 - Verpflichtungserklärung Scharf zur Entlassung.

18Ebenda, S. 84, 24.3.1934 - Osterode - Aussage des Strafgefangenen Adolf Borchers.

Rainer Driever