Paul Neubauer
wurde am 18. Juli 1903 geboren.
Am 28. März 1933 wurde er nach einer Haussuchung zusammen mit 8 anderen Mündener Kommunisten festgenommen. Bei den Durchsuchungen wurden „Zersetzungsmaterial“, eine Schreibmaschine und mehrere rote Fahnen sowie politische Protokolle beschlagnahmt.1
Neubauer
wurde zusammen mit seinen Mithäftlingen in Göttingen
inhaftiert.2
Bereits am 30. März schickten die Verhafteten eine Beschwerde
über die Inschutzhaftnahme an den Landrat. Dies gehörte zum
Standardvorgehen gefangener KPD'ler bei Inhaftierung.3
Die Beschwerde wurde am 24. Mai abgewiesen.4
In einem Bericht schrieb die Ortspolizei zu seinem Status als Schutzhaftgefangener Mitte Mai: Sämtliche Gebrüder Neubauer sind eifrige Förderer der KPD. Paul Neubauer ist langjähriges Mitglied der KPD. Bei Aufzügen marschierte er in der ersten Reihe und war einer der größten Schreier. (...) (Er unternahm) wiederholt unangemeldete Aufzüge in Uniform (…).5
Paul Neubauer wurde wahrscheinlich mit anderen Schutzhaftgefangenen noch im Juli in das Konzentrationslager Moringen überführt. Dies galt ab Juni 1933 für alle Schutzhaftgefangenen, für die eine längere Schutzhaft vorgesehen war. Die Mündener Polizei schrieb fast floskelhaft Berichte an den Landrat, in denen sie von einem Ende der Schutzhaft für die Funktionäre der KPD abriet. Folgerichtig ist in einem Bericht vom 3. August zu lesen: Im Hinblick auf seine frühere Tätigkeit und die Erwartung erneuter staatsfeindlicher Tätigkeit kommt eine Entlassung des N. nicht in Frage.6
10 Tage später richtete Paul Neubauer eine Bitte um Entlassung an den Landrat. In ihr schildert er eindringlich seine Sorgen und die Schwierigkeiten, unter denen seine junge Frau in Münden zu leiden hatte.7 Im September folgte noch einmal ein Bericht der Ortspolizei, in dem sie die Wichtigkeit der Weiterführung der Schutzhaft betont: Es steht nach den mit N. gemachten Erfahrungen zu erwarten, daß er sich weiter in staatsfeindlichem Sinne betätigen wird. Eine Entlassung dürfte nicht in Frage kommen.8 Auch ein beantragter Hafturlaub im Oktober wurde in diesem Sinne abgelehnt: (…) noch sämtlich einsitzenden Schutzhäftlinge waren Agitatoren übelster Art; sie hatten an dem brutalen Terror in Münden ausschlaggebenden Anteil. Es müssen daher die allerstrengsten Grundsätze zur Anwendung kommen. Der Urlaub wird nicht befürwortet.9
Ende
Oktober 1933 war Neubauer noch in Moringen inhaftiert.10
In diesem Monat begann die schrittweise Schließung der
Männerabteilung, KZ-Häftlinge, die „gesund und
arbeitsfähig“ waren, wurden zunächst in die
Papenburger Emslandlager verlegt.11
Unter ihnen war z.B auch der Mündener Kommunist Georg
Ringsleben. Paul Neubauer wurde wahrscheinlich mit dem Transport am
28. November in das Konzentrationslager Oranienburg transportiert.
Von dort richtete er am 5. Dezember noch einmal eine Bitte um
Entlassung an den Landrat.12
Paul Neubauer kehrte vermutlich im Frühjahr 1934 nach Hann. Münden zurück. Er arbeitete auf einer Baustelle der neuen Reichsautobahn. In der Nacht zum 8. Oktober 1935 wurde er zusammen mit 63 Männern und Frauen wegen „illegaler Betätigung“ in Hann. Münden festgenommen.13
Ab dem 24. Oktober saß Neubauer in Untersuchungshaft in Kassel. Am 7. Juli 1937, nach über eineinhalb Jahren, kam es zum Prozess vor dem 2. Senat des Volksgerichtshofs in Kassel. Neubauer wurde zusammen mit Heinrich Schäfer (vier Jahre Zuchthaus) wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens unter erschwerenden Umständen in Tateinheit mit Verbrechen nach § 7 des Sprengstoffgesetzes und Vergehen nach dem Schusswaffengesetz zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine Untersuchungshaft wurde auf das Urteil angerechnet.14
Anfang November 1938 war Neubauers Entlassungstermin. Wahrscheinlich wurde er bereits bei seiner Entlassung sofort wieder in Schutz- bzw. Vorbeugehaft genommen und in das Konzentrationslager Sachsenhausen überführt. Das Lager wurde am 21. April 1945 in Richtung Schwerin evakuiert, der Zug der Häftlinge von der vorrückenden Roten Armee aufgelöst.
Nach der Befreiung lebte Neubauer zunächst in Berlin West. Dort heiratete er nach der Scheidung von Ehefrau Lotti seine zweite Ehefrau Hildegard N., mit der er zwei Kinder (Sohn Peter und Tochter Carola) hatte. Beruflich beteiligte er sich zunächst am Aufbau der Polizei für ganz Berlin.
Mit
fortschreitendem Kalten Krieg entschloss Neubauer seine Übersiedlung
nach Ostberlin. Dort war er am Aufbau der Kasernierten
Volkspolizei
(KVP) - der Vorläuferin der Nationalen
Volksarmee (NVA)
- in der Sowjetisch
besetzten Zone
(SBZ) und der späteren DDR beteiligt. In der NVA brachte er es
bis zum Dienstrang eines Obersten. 1967 ging er in den Ruhestand und
wohnte bis zum Lebensende - als Antifaschist hoch geachtet - in der
kleinen Ortschaft Walddrehna im Kreis Luckau, Brandenburg. Paul
Neubauer starb am 28. Februar 1991 in Luckau. In seine Geburtsstadt
Hann. Münden kehrte er nicht zurück.15
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Literatur und Quellen:
Christmann, Gottfried; Kropp, Dieter (1984): Arbeiterbewegung in Hann. Münden von 1918 bis 1936 (Katalog der Ausstellung "Arbeiterbewegung in Münden von 1869 bis 1945 / Göttinger Beiträge zur universitären Erwachsenenbildung / Sonderheft).
Hesse, Hans (2003): Das frühe KZ Moringen (April - November 1933) : "… ein an sich interessanter psychologischer Versuch …". Norderstedt: Books on Demand GmbH.
Reinhard Neubauer: Auskünfte und Sammlung.
Schumann, Wilhelm (1973): Ihr seid den dunklen Weg für uns gegangen … : Skizzen aus dem Widerstand in Hann. Münden 1933 - 1939. Frankfurt/Main: Röderberg-Verlag.
Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 94.
Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 85.
1Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 12, 28.3.1933 - Ortspolizei Münden - Hausuchungen und Festnahmen KPD.
2Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 13, 30.3.1933 - Ortspolizei Hann-. Münden - Aktennotiz Neubauer.
3Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 13, 4.4.1933 - Landrat an Reg.Präs. Hildesheim - Bitte um Abweisung der Beschwerden der Inhaftierten.
4Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 15, 24.5.1933 - Reg.Präs. Hildesheim an Neubauer – Beschwerde.
5Ebenda, S. 15, 17.5.1933 - Ortspolizei Hann. Münden - Bericht Neubauer.
6Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 16, 3.8.1933 - Ortspolizei Hann. Münden an Landrat – Neubauer.
7Ebenda, S. 17, 13.8.1933 - Neubauer an Landrat - Bitte um Entlassung Moringen.
8Ebenda, S. 18, 26.9.1933 - Ortspolizei Hann. Münden - Zum Bericht vom 26.9.1933 – Neubauer.
9Ebenda, S. 19, 7.10.1933 - Ortspolizei Hann. Münden an Landrat – Neubauer.
10Ebenda, S. 62, 31.10.1933 - Landrat - Liste mit Schutzhäftlingen Kreis Münden.
11Hesse 2003, S. 88–89
12Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 20, 5.12.1933 - Neubauer an Landrat - Antrag Haftentlassung.
13Christmann und Kropp 1984, S. 131, 08.10.1935 – Liste der Verhafteten in Hann. Münden.
14Schumann 1973, S. 117, 7.7.1937 - Volksgerichtshof - Urteile gegen Schäfer und Neubauer.
15Reinhard Neubauer.
Rainer Driever