Willi Fricke

wurde am 9.10.1910 in Münden geboren. Er besuchte die dortige Volksschule bis zu seinem 14. Lebensjahr. Eine Lehre als Tischler brach er ab. In der Folgezeit arbeitete er zunächst in der Fassfabrik von Francke & Gedrath, später im Schmirgelwerk Pannertz. Von 1928 bis 1934 war Fricke erwerbslos, war einige Zeit auf Wanderschaft und arbeitete 1934 beim Freiwilligen Arbeitsdienst. Ab Ende 1934 fand er Arbeit auf der Autobahn-Baustelle. Vom 4.4. bis zum 4.8.1935 verbüßte er eine Strafe wegen Forstdiebstahls im Strafgefängnis Hameln. Nach seiner Entlassung arbeitete er wiederum auf der Autobahn-Baustelle, bis er am 18.11.1935 erneut verhaftete wurde.1

Im Tagesbericht der Mündener Polizei an die Stapo-Stelle Hildesheim ist über den Anlass zu Frickes erneuter Verhaftung zu lesen: Am 16. November 1935 wurde hier zur Anzeige gebracht, daß am 9.11.35 gegen 21.30 Uhr die Arbeiter Wilhelm Fricke und Heinrich Wenzel, beide aus Hermannshagen (Stadtviertel in Hann. Münden) auf der Adolf-Hitlerstr. in Hann. Münden ein Lied sangen, welches von der feindlichen Einstellung dieser Personen gegen den nationalsozialistischen Staat zeugt. Fricke ist geständig, folgendes gesungen zu haben: „O Potemkin, Du Stolz der Sowjetunion, an Deinem Mast das rote Banner weht, da ergreift das Herz ein bitteres Leid und Weh, wenn wir bei uns den Pleitegeier sehn."

Fricke will unter dem Einfluss von Alkohol gestanden haben. Wenzel weiss nichts von seiner Beteiligung an dem Liede, er will dasselbe auch nicht kennen. Die Zeugen bekunden, daß es hauptsächlich Fricke war, der das Lied sang und Wenzel nur dasselbe mittlallte. Beide wurden am 18. 11. 1935 dem Gerichtsgefängnis in Göttingen zugeführt.2

Die Stapo-Stelle Hildesheim ordnete am 22.11.1935 an, Fricke in Schutzhaft zu nehmen. Sie bat zudem, von Fricke 5 Lichtbilder anfertigen zu lassen und ihn auf Tauglichkeit für landwirtschaftliche Arbeiten sowie auf ansteckende Krankheiten zu untersuchen.3 Einen Monat später erging der Bescheid, ihn in das Konzentrationslager Papenburg Esterwegen zu überführen.4 Dazu kam es anscheinend nicht mehr. Am 23.1.1936 wurde Wilhelm Fricke vom Göttinger Amtsgericht wegen groben Unfugs zu 4 Wochen Haft verurteilt.5 Nach Verbüßung der Gefängnisstrafe wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg überführt.6 Dort verbrachte Wilhelm Fricke 3 Jahre als Schutzhäftling. Er wurde erst am 3. Februar 1939 nach Hann. Münden entlassen.7



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Quellen

Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 94.

Verächtlichmachung der Reichsregierung. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 8.



1Verächtlichmachung der Reichsregierung, S. 331, 30.11.1935 - Vernehmung Willi Fricke.

2Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 133, 17.11.1935 - Ortspolizei Münden an Stapo-Stelle Hildesheim - Tagesbericht politische Vorkommnisse.

3Ebenda, S. 134, 22.11.1935 - Stapo-Stelle Hildesheim an Ortspolizei Göttingen - Sache Wilhelm Fricke.

4Verächtlichmachung der Reichsregierung, S. 333, 3.12.1935 - Stapo Hildesheim an Ortspolizei Göttingen Schutzhäftling Willi Fricke.

5Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden I, S. 135, 27.1.1936 - Ortspolizei Münden an Landrat - Festnahme Fricke.

6Ebenda, S. 136, 11.11.1936 - Ortspolizei Hann. Münden an Landrat.

7Ebenda, S. 141, 14.2.1939 - Ortspolizei Münden an Landrat – Fricke.