Erwerbslosenbewegung
Die
Erwerbslosenbewegung war eine Nebenorganisation der KPD. In Göttingen
wurde die Organisation ab Mai 1927 von der Polizei beobachtet. Sie
stehen unter dem Einfluss der KPD; ihr Ausschuss besteht auch aus
Mitgliedern dieser Partei,
heißt es in einem Polizeibericht vom Mai 1927. Von der
Göttinger Gruppe wurde das Blatt Der
Erwerbslose
mit der Bildbeilage A.I.Z.
(Die Arbeiter illustrierte Zeitung aller Länder) vertrieben.1
Dem Erwerbslosenausschuss, also dem Lenkungsorgan der Gruppe, gehörten 1929 Heinrich Westernhagen (ISK), Georg Deppe (geb. 1904, ab 1924 KPD-Mitglied, Ende der 20er Jahre wegen Rechtsabweichlertum ausgeschlossen) und Albert Bohnhaus an.2 Abgelöst wurden diese spätestens im Sommer 1930 von August Strasen, Fritz Schaper, Weiland, Apel und Scheld.3 Die Erwerbslosenbewegung hielt in Göttingen regelmäßig Versammlung ab und führte Aktionen durch. Zudem wurde ab März 1930 eine Beratungsmöglichkeit und eine Anlaufstelle bei Hellmut Schmalz eingerichtet.4
In
Göttingen war das Jugendheim in der Hospitalstraße ein
beliebter Treffpunkt der jugendlichen, eher linksgerichteten
Arbeitslosen. Es wurde vom Stadtjugendpfleger
betreut. Dort
waren Wärmestuben
eingerichtet, die nachmittags und morgens für die Erwerbslosen
offen standen, Zeitschriften und Spiele lagen aus. Dem
Stadtjugendpfleger gelang es anscheinend, politische
Auseinandersetzungen aus dem Jugendheim fernzuhalten.5
Luise Syring, die Vorsitzende des Ortsausschusses für
Arbeiterwohlfahrt, und ihr Mann Bernhard Syring betreuten als
Hausmeisterehepaar das Jugendheim.6Die
rechtsgerichteten Arbeitslosen bevorzugten die SA-Küche in der
Weender Landstraße.
Die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften, der SPD und der KPD wurde auch in der Betreuung der Arbeitslosen deutlich. So berichtete das Volksblatt am 13. Juli 1931 von einer Behinderung der Verteilung seiner Erwerbslosenbeilage vor dem Arbeitsamt. Eine Gruppe von Kommunisten beschlagnahmte 200 Exemplare dieser Beilage.7
Neben
den Betrieben wurden vor allem auch Stempelstellen und Arbeitsämter
von der KPD für ihre Agitation genutzt. So ist es nicht
verwunderlich, dass die Polizei die Versammlungen der
Erwerbslosenbewegung und die Arbeitsämter besonders
überwachte.8
Den spontanen politischen Versammlungen von Erwerbslosen vor den
Arbeitsämtern versuchte man zeitweise auch durch Vermehrung der
Ausgabestellen Herr zu werden, wodurch die Masse der
Zusammenkommenden jeweils verringert werden sollte..9
Zur Überwachung wurden ab Ende 1932 Polizeibeamte direkt bei den Zahlstellen der Arbeitsämter eingesetzt. Diese Praxis wurde Mitte April 1933 aufgegeben10 und in eine unauffälligere Kontrolle der kommunistischen Elemente bei ihren Besuchen des Arbeitsamtes überführt.11
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Literatur und Quellen:
Augenzeugenbefragung Willi Rohrig (30.12.1976). Stadtarchiv Göttingen, Dep. 77 I, Nr. 78.
Forssbohm, Paul (2015): Gründung und Neugründung der Arbeiterwohlfahrt Göttingen von 1920 bis 1948.: Selbstverlag der Arbeiterwohlfahrt Göttingen.
KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 155, Nr. 1a.
Sicherheitspolizei im Allgemeinen. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir., Fach 30, Nr. 1.
1StA Göttingen, Pol.Dir, Fach 155, Nr. 7, Bl. 3.
2Ebd., Bl. 8.
3Ebd., Bl. 11v.
4StA Göttingen, Pol.Dir., Fach 155, Nr. 6, Bl. 20v.
5Augenzeugenbefragung Willi Rohrig 30.12.1976, S. 2.
6Forssbohm 2015, S. 50.
7KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 33, Volksblatt Nr. 157 vom 9.7.1931, Kommunistischer Angriff auf Verteiler der Erwerbslosenbeilage des Volksblatts.
8Sicherheitspolizei im Allgemeinen, S. 143v, Ortspolizei, Bericht PolOberMst Janßen, 13.11.1932.
9Sicherheitspolizei im Allgemeinen, S. 143, Ausschnitt aus dem Ministerialblatt der inneren Verwaltung, 11.1.1933, Erwerbslosenversammlung vor Arbeitsämtern.
10Sicherheitspolizei im Allgemeinen, S. 145, Ortspolizei, Bericht Janßen, 14.4.1933, Arbeitsamt.
11KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 265, Bericht Kommunistische Tätigkeit Arbeitsämter, 26.10.1933.