Ludwig Fürchtenicht
wurde am 6.9.1873 in Adelebsen geboren. Er war Justierer und wohnte in der Leinestraße 5. Fürchtenicht kam durch einen Kurs mit dem ISK in Berührung, den Fritz Schmalz Ende Juli 1930 mit Freidenker- und Gewerkschaftsfunktionären durchführte. Danach galt er als Kandidat für eine Aufnahme in den ISK.1 Ende 1930 absolvierte er noch einen Rednerkurs als Gastteilnehmer.2 Im Frühjahr 1931 wurde er als vollwertiges Mitglied im ISK aufgenommen.3
Auffällig für die Polizei wurde er durch einen Brief des Referendars Wilhelm Merz, der in der Postkontrolle für ISK-Mitglieder hängen blieb. Aufgrund des Schreibens von Merz, der mit der Tochter von Fürchtenicht befreundet war, vermutete die Polizei eine politische Übereinstimmung der beiden. Gegen Fürchtenicht bestand der Verdacht er illegalen staatsfeindlichen Betätigung.4 Kurze Zeit später wurde zudem festgestellt, dass Fürchtenicht mit der Lehrerin Irmgard Amelung in Kontakt stand, die bis März 1933 in der Geschäftsstelle im Nikolausberger Weg gewohnt hatte, dann aber nach Hamburg gezogen war. Fürchtenicht musste eigentlich von der Briefkontrolle gewusst haben. Trotzdem entnahm die Polizei dem Briefwechsel die Information, dass ISK-Personen in der Nähe von Vaake a.d. Weser in einem alleinstehenden Hause Zusammenkünfte abgehalten haben.5
Im März 1934 wurde Fürchtenicht bei Notstandsarbeiten zum Straßenfegen eingesetzt. In der Riemannstraße ärgerte er sich anscheinend über den mangelnden Einsatz eines Kollegen. Laut Polizeibericht, der auf die Anzeige des Kollegen hin erstellt wurde, sagte Fürchtenicht zu ihm: Du kannst deinen dicken Mantel ausziehen und brauchst dich nicht mit deinem Abzeichen zu brüsten. Zudem gebrauchte er im Verlauf der Auseinandersetzung das Wort Lausejunge. Das Abzeichen war eines der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung (NSKOV) und Fürchtenicht hatte Mühe, der Polizei zu versichern, dass er das Abzeichen des Tümmel keineswegs verächtlich machen wollte. Da hier Aussage gegen Aussage stand, verlief die Sache glimpflich für Fürchtenicht.6
Die Tochter von Ludwig Fürchtenicht, Ida, heiratete Oskar Schmitt, der im ISK-Prozess 1936 mit angeklagt war.7 Fürchtenicht trat nach dem Krieg in die KPD ein und wurde Mitglied des Kreistages.8
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Literatur und Quellen
Anfragen und Beobachtungen über Personen in politischer Hinsicht: Personenbeobachtung. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 14.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand: Berichte 1931. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK000021.
Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand: Monatsberichte 1930. Archiv der sozialen Demokratie, 4/IJB-ISK00020.
Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK). Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 155, Nr. 5.
Rüther, Martin (1998): Deutschland im ersten Nachkriegsjahr: Berichte von Mitgliedern des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes (ISK) aus dem besetzten Deutschland 1945/46. Unter Mitarbeit von Uwe Schütz und Otto Dahn (Hrsg.). München: Saur (Texte und Materialien zur Zeitgeschichte).
Verächtlichmachung der Reichsregierung. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 31a, Nr. 8.
1Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an ISK-Bundesvorstand, S. 3, 17.10.1930 - ISK-Ortsverein Göttingen.
2Ebenda, S. 4, Vierteljahresbericht Oktober bis Dezember 1930.
3Internationaler Jugend-Bund (IJB) / Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), Aktengruppe: ISK, Korrespondenz A (1925-1933), ISK-Untergliederungen an Bundesvorstand, S. 2, 6.7.1931 - Vierteljahresbericht II. Quartal.
4Anfragen und Beobachtungen über Personen in politischer Hinsicht, S. 60, Ortspolizei an Stapo-Stelle Hannover, 2.2.1934 - Überwachung staatsfeindlicher Personen.
5Internationaler Sozialistischer Kampfbund (ISK), S. 114, Überwachung Ludwig Fürchtenicht, Bericht 13. Februar 1934, an Stapo Hannover und Hamburg.
6Verächtlichmachung der Reichsregierung, S. 220-220v, 14.3.1934 - Anzeige Fürchtenicht.
7StA Göttingen, Schmitt, Oskar; Meldekarte.
8Rüther 1998, S. 579.
Rainer Driever