Miesmacher, Nörgler und Verächtlichmacher

Die Nationalsozialisten schufen in zwei Verordnungen die Basis der Verfolgung jedweder abweichenden und kritischen Äußerung.

Zunächst war dies die Verordnung des Reichspräsidenten zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung vom 21. März 1933. In ihr hieß es in § 3.1: Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder eines Landes oder das Ansehen der Reichsregierung oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (Gesetzestext PDF)

Am Ende des Jahres 1934 wurde dieser Verordnung das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen vom 20. Dezember 1934 an die Seite gestellt. Darin hieß es in § 2.1: Wer öffentlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates oder der NSDAP., über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffenen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft. (Gesetzestext PDF)

Die „Delikte“ firmierten unter ganz unterschiedlichen Namen, die zeitlichen Konjunkturen unterlagen: Gerüchtemacherei, Greuelhetze, Heimtücke, Verächtlichmachung. Unter diesen Bezeichnungen wurden unliebsame und kritische Äußerungen verfolgt und ein Klima der verbalen Vorsicht erzeugt. Wie auch in anderen Diktaturen beobachtbar, konnte diese Situationen zu einer Art „denunziatorischer Notwehr“ führen. Man konnte in den wenigsten (öffentlichen) Situationen ganz sicher sein, dass die betreffenden Äußerungen nicht auch von Dritten mitgehört wurden und man selbst unter den Verdacht des einvernehmlichen Zuhörens geriet.



Rainer Driever