Heinrich Bauersachs

wurde am 19.4.1907 in Kassel geboren. Einer Religionsgemeinschaft gehörte er nicht an, sondern zählte sich zu den Freidenkern. Bauersachs absolvierte eine dreijährige Lehre als Zimmermann in Kassel. Seine letzte Arbeit bei der Firma Scheidt in Hann. Münden verlor er 1931 , danach war er erwerbslos. Er wohnte mit seiner Frau Johanna (geb. König) und 2 Geschwistern in der Kiesau 14 in Hann. Münden. Bauersachs war einmal vorbestraft.1

Bauersachs wurde im Zusammenhang mit der Flugblattaktion in Münden am Abend des 8. Juli 1933 verhaftet. Im Polizeibericht heißt es dazu: Am Sonnabend, den 8.7. d.J.rs. gegen 22 Uhr wurden kommunistische Flugblätter in verschiedenen Häusern unter die Tür geschoben oder in den Hausflur geworfen. Der Inhalt stellt eine Verächtlichmachung der Regierung dar und hetzt gegen diese in der unerhörtesten Weise. Festgestellt ist, dass um die angegebene Zeit Frau Neubauer, der Tischler Scharf und der Arbeiter Böhle durch die hinteren Strassen eilten. Die Zahl der verteilten Flugblätter steht nicht fest, 12 Stück sind hier aber abgegeben und 4 Stück an das hiesige Postamt zur Bestellung als Drucksache aufgegeben worden, sodaß mit einer beträchtlichen Zahl der zur Verteilung gelangten Flugblätter zu rechnen ist.“ Mit Bauersachs zusammen verhaftet wurden Dora Neubauer, Ludwig Risch, Richard Scharf, Hans Böhle, Hermann Pszolla und Gustav Risch.2

Am 10. Juli wurde Bauersachs in das Gerichtsgefängnis Göttingen eingeliefert.3 Bereits am nächsten Tag kam es zur Verhandlung vor dem Schöffengericht Göttingen. Wegen Vergehen gegen die Verordnung vom 14. Dezember 1918 und 28. Februar 1933 wurde gegen ihn eine Gesamtgefängnisstrafe von fünf Monaten und drei Tagen verhängt (AZ 4 M 49/33).4

In der Urteilsbegründung heißt es: (…) Was die erste Straftat anbelangt, so erschien eine hohe Strafe angebracht. Zwar ist der Angeklagte bisher nicht vorbestraft; ein Vergehen gegen die V.O.v. 28.II.1933, den Verrat am Deutschen Volke und hochverräterischer Umtriebe ist aber schon im allgemeinen nach seiner ganzen Richtung als sehr schwerwiegend anzusehen. Hierzu kam im vorliegenden Falle noch die große Anzahl der bereit gehaltenen Druckschriften. Es schien deshalb seine Strafe von fünf Monaten als angemessen.

Für den unbefugten Besitz des Stahlhelms war der Angeklagte dagegen milder zu bestrafen unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein Schaden (…) nicht eingetreten ist und der Angeklagte nicht vorbestraft ist. Eine Strafe von einer Woche Gefängnis erschien daher ausreichend.5

Bauersachs wurde zunächst in das Konzentrationslager Moringen zu einer Schutz-Gefängnisstrafe überführt.6 Am 23.8.1933 wurde er mit einem Sammeltransport in das Strafgefängnis Hannover und von dort am 29.8. nach Hameln verlegt.7

Strafgefangene waren stets angehalten, einen Lebenslauf zu schreiben. In seiner Niederschrift betont Bauersachs den Charakter seiner Haft als politische Bestrafung und gesteht auch seine Tat ein. Als Veranlassung zur Tat gab er Unkenntnis (der Strafwürdigkeit) an.8 Die Beurteilung der Führung innerhalb des Gefängnisses wurde periodisch vorgenommen, aber auch die politische Beurteilung von außen konnte bei Strafgefangenen durchaus weitergehen. Dabei wurde die Schutzhaftwürdigkeit der einzelnen Häftlinge durch die zuständige Ortspolizei festgestellt. Zur Zeit der Aufhebung seines Schutzhaftstatus am 29.8.1933 durch den Landrat wurde Bauersachs gerade nach Hameln verlegt.9

Am 22.11.1933 wurde Bauersachs aus dem Strafgefängnis Hameln in das Gerichtsgefängnis Göttingen überführt. Der Grund für diese Verlegung ist unbekannt, vielleicht handelte es sich um einen Gerichtstermin als Zeuge, denn entlassen wurde er in Hameln. Dort betonte man aber im Begleitschreiben, dass Bauersachs nach Haftende am 1.2.1934 wieder in das Konzentrationslager Moringen zu überführen sei.10 Dabei lag anscheinend ein Irrtum der Administration vor, am 20. Januar 1934 bestätigte der Landrat noch einmal ausdrücklich die Aufhebung von Bauersachs' Schutzhaftstatus.11 Vier Tage später wurde Heinrich Bauersachs aus dem Strafgefängnis Hameln nach Hann. Münden entlassen.12



_____________________________________________________________________

Literatur

Gefangenenpersonalakte Heinrich Bauersachs: Strafgefängnis Hameln. Hauptstaatsarchiv Hannover, Hann. 86 Hameln Acc. 143/90 Nr. 1226.

Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II. Kreisarchiv Göttingen, LA HMÜ 85.



1Gefangenenpersonalakte Heinrich Bauersachs, S. 13, 1.9.1933 - Lebenslauf Heinrich Bauersachs.

2Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 16, 10.7.1933 - Ortspolizei Bericht Schutzhaft KPD-Funktionäre.

3Ebenda, S. 147, 10.7.1933 - Einlieferungsformular Bauersachs Gerichtsgefängnis Göttingen.

4Gefangenenpersonalakte Heinrich Bauersachs, S. 10, 27.7.1933 - Urteil gegen Bauersachs.

5Ebenda, S. 11, 27.7.1933 - Urteil Gründe.

6Ebenda, S. 9, 11.8.1933 – Staatsanwaltschaft Göttingen – Schutzhaftsache Bauersachs.

7Ebenda, S. 1, 29.8.1933 - Personalbogen Strafgefängnis Hameln Bauersachs.

8Ebenda, S. 13, 1.9.1933 - Lebenslauf Heinrich Bauersachs.

9Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 149, 28.9.1933 - Landrat an Schutzhäftlinge – Entlassung.

10Gefangenenpersonalakte Heinrich Bauersachs, S. 20, 22.11.1933 - Strafgefängnis Hameln an Gerichtsgefängnis Göttingen.

11Ebenda, S. 27, 20.1.1934 - Landrat an Strafgefängnis Hameln – Schutzhaft.

12Schutzhaft und politische Polizei Hann. Münden II, S. 153, 24.1.1934 - Verpflichtungserklärung Bauersachs - Gefängnis Hameln.

Rainer Driever