Der Rote Stürmer

Der Polizeibericht an den Regierungspräsidenten vom 26. Mai 1933 berichtete von der Herstellung und Verteilung der Zeitung. Bis Ende April waren zwei Nummern des (auf 6 Monate) verbotenen Roten Stürmers - Wochenschrift der KPD - herausgegeben worden. Schaper, Kreitz, Ernst Möhring und Kräußlein wurden wegen Vergehens gegen § 18 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4.2.1933 in das Göttinger Gerichtsgefängnis übergeführt.

Am 18.5.1933 sollte wiederum eine Ausgabe angefertigt werden. Zu diesem Zweck transportierte der Student Wilhelm Hoffmann an diesem Tag einen Vervielfältigungsapparat, wurde aber unterwegs gestellt und festgenommen. Der Apparat wurde sichergestellt, die bereits angefertigten Wachsbögen und Manuskripte wurden allerdings nicht gefunden. Zusammen mit Hoffmann wurde der Student Martin Strauß (Schutzhaft vom 4.4.-15.4.33) festgenommen.1 Am 31. Mai wurde zudem der Student Adolf Cordes wegen Verdachtes der Mithilfe bei der Vorbereitung zur Herstellung des illegalen Roten Stürmer verhaftet.2

Einen Monat später wandte sich der Göttinger Polizeidirektor SS-Sturmbannführer Albert Gnade an den Regierungspräsidenten in Hildesheim. Er bat in seinem Brief um eine Entscheidung über eine mögliche Entlassung von Adolf Cordes und Wilhelm Hoffmann, da sie unter der Last des Beweismaterials zusammenbrachen und ein Geständnis machten. Sie gaben an, die Absicht gehabt zu haben, eine illegale Nummer des Roten Stürmer herauszugeben. Als Grund gaben sie an, die Personen, die Anfang Mai wegen derselben Straftat festgenommen und in das Gerichtsgefängnis überführt wären, im gewissen Sinne zu entlasten, damit die Polizei in den Glauben versetzt werden sollte, daß außer den Verhafteten auch noch andere Personen mit der Herstellung beschäftigt gewesen sein könnten. Diesen Angaben allein ist kein Glauben zu schenken. Es ist vielmehr anzunehmen, daß sie die Allgemeinheit bezw. die Angehörigen der KPD mit ihren Nachrichten aufklären wollten. Nach der Festnahme der Personen sind hier hergestellte Druckschriften der KPD nicht wieder aufgetaucht. Zu erwähnen ist, daß der Student Strauß auch an der Herstellung des illegalen Roten Stürmer Nr. 3 beteiligt gewesen ist, der Ende April angefertigt ist, insofern beteiligt gewesen ist, daß er die geschriebenen Matrizen weiter gab. Er ist als geistiger Urheber zu betrachten und wurde wegen Vergehens gegen § 18 der Verordnung des Herrn Reichspräsident zum Schutze des Deutschen Volkes vom 4.2.1933 dem hiesigen Gerichtsgefängnis zugeführt.

Es besteht hier die Absicht, Cordes und Hoffmann, die ein Geständnis abgelegt haben - eine Druckschrift ist nicht herausgegeben - aus der Schutzhaft zu entlassen und sie dem Arbeitslager der NSDAP hier zu überweisen, damit sie zukünftig im Sinne der nationalen Regierung belehrt und erzogen werden, zumal sie angeblich zu der Einsicht gekommen sind, daß ihr bisheriger Weg nicht der Richtige gewesen ist.
Wir bitten um gefl.
(gefällige) Entscheidung, ob unserem Vorschlag stattgegeben wird.
A. Gnade.
3

Am 31. Juli 1933 fand der Prozess gegen die Hersteller und Verbreiter des Roten Stürmer der Großen Strafkammer des Landgerichts Göttingen statt. Basis der Verhandlung war ein Vergehen gegen die Verordnung vom 4.2.1933 – Herstellung und Verbreitung kommunistischer illegaler Druckschriften. Der Vertreter der Anklage, Ass. Dr. Effenberg, beantragte gegen Schaper, Kräußlein, Weitemeier und Kreitz je 9 Monate, gegen Ortmanns, Strauss und Möhring je 6 Monate Gefängnis.

Das Gericht, dessen Vorsitzender Landgerichtsrat Meierhoff war, ging über den gestellten Antrag hinaus. Es wurden verurteilt:
Schaper und Weitemeier zu 1 Jahr 6 Monate Gefängnis, Kräußlein, Möhring und Strauss zu je einem Jahr Gefängnis, Kreitz und Ortmanns zu je 10 Monaten Gefängnis.
4 (Urteil PDF)



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Quellen:

Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Übergangszeit. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 4.

KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 155, Nr. 1a.

Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik: Schutzhaft. Stadtarchiv Göttingen, Pol.Dir., Fach 31a, Nr. 2, Bd. 1.



1Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in der Übergangszeit, S. 170–172, 26.5.1933 Ortspolizei an Reg.Präs. Hildesheim - Bericht über die polizeiliche und politische Lage.

2Verordnung über Verhängung des Ausnahmezustandes und Schutz der Republik, S. 151, Bericht Ahlers, Schutzhäftlinge, vom 13. Juni 1933.

3KPD - Spezialakten betreffend die kommunistische Partei, S. 228v, A. Gnade an Reg.Präs Hildesheim, betr. Entlassung Hoffmann und Cordes, 29.6.1933, Verfügung vom 14.6.1933.

4Ebenda, S. 244, Ortspolizei, Bericht Ippensen zum Prozess gegen KPD'ler. 31.7.1933.

Rainer Driever