Die Polizeiwache

Der Neubau des Stadthauses am Anfang des 20. Jahrhunderts sah auch eine Unterbringung der Ortspolizei Göttingen vor. Folgt man den Plänen von 1901, so waren im Erdgeschoss zwei Zellen für das Polizeigefängnis vorgesehen.1 Im ersten Obergeschoss befanden sich die eigentlichen Räumlichkeiten der Polizeiwache.2 Neben der Polizeiwache befanden sich noch die Stadtsparkasse, das Schatzamt, das Meldeamt, das Steueramt und die städtische Bauverwaltung im neu errichteten Gebäude.

Der Erweiterungsbau von 1934 war in der Zusammenfassung verschiedener Teile der Stadtverwaltung in einem Gebäude begründet. Es entstanden neue Büroräume für Polizei, einschl. Baupolizei, Wohlfahrtsamt und Gemeindesteueramt. Der Neubau verband das alte Stadthaus mit einem neu errichteten Gebäude. Insgesamt konnte man nun auf ca. 50 Räume zurückgreifen. Eine Warmwasserheizung, eine neue automatische Telefonanlage, welche einen Verkehr sämtlicher Dienststellen der Stadtverwaltung ermöglichte, sowie 2 Luftschutzkeller mit zugehörigen Schleusen und gasdichten Türen gehörten zu den neuen Errungenschaften.3

Auf der Urkunde zur Grundsteinlegung ist zu lesen: Am 21.März 1934, dem Tage des Beginns der Schlacht gegen die Arbeitslosigkeit unter Führung unseres Volkskanzlers Hitler, wurde der Grundstein zu diesem Gebäude - einem Erweiterungsbau des Stadthauses - gelegt und zur Bekundung dessen diese Urkunde eingemauert.4

Die neue Polizeiwache befand sich nun links des heutigen Eingangs der Stadtbibliothek, im Seitenflügel war ein Polizeiversammlungs- und Unterrichtsraum untergebracht. Im dritten Obergeschoss zog die Kriminalpolizei ein, und im Dachgeschoss befand sich das Lehrmittelzimmer der Kriminalpolizei.5

Das Raumprogramm für die Polizei gestaltete sich folgendermaßen:

I. Verwaltung
Raum für Polizeidirektor, Vorraum mit drei Arbeitsplätzen, Raum für Registratur (2 Pl.), Raum für Kraftfahrzeugstelle (2 Pl.), Aktenkammer/Fundbüro/Raum für Fundsachen/Raum für Strafsachen (2 Pl.) Meldeamt (5 Pl.)

II. Exekutive
Raum für Polizei-Oberinspektor, Raum für Polizeikommissar Revier I, Raum für 1 Obermeister und 2 Polizeimeister Revier I, Raum für Polizeikommissar Revier II, Raum für 1 Obermeister und zwei Polizeimeister Revier II, Raum für Gewerbesachen, Raum für Kraftfahrzeugstempel, Wache, Versammlungszimmer, Waffen

III. Kriminalabteilung
6 Räume für je einen Beamten (im Neubau), 3 Räume für je zwei Beamte, 1 Raum für Auswärtige und Luftschutz, 1 Raum für Erkennungsdienst, 1 Raum für phototechn. Atelier, Museum.6

Aber auch der Neubau löste anscheinend nicht die Raumprobleme. Die Staatspolizeistelle Hildesheim beabsichtigte Ende 1935 eine Außenstelle mit dem Sitz in Göttingen zu errichten und diese in Räumen der Stadtverwaltung unterzubringen.7 Die Göttinger Antwort weist auf Schwierigkeiten hin: Die Unterbringung stößt wegen der beengten Verhältnisse im Stadthaus auf Schwierigkeiten. Vorhandene Räume sind bereits überbelegt. Deswegen sind Anbauten geplant oder die Vergrößerung der Städtischen Sparkasse so zu dimensionieren, dass einige Abteilungen der Stadtverwaltung dort Platz finden. Wenn eines dieser Projekte realisiert ist, können kostenlos Räume zur Verfügung gestellt werden.8

Polizeigefängnis

Die Bauzeichnungen von 1901 mit dem darin enthaltenen Raumprogramm sehen zunächst nur 2 Zellen im Erdgeschoss vor. Deutlich zu erkennen sind jedoch im EG und I. OG des Nebentraktes die für die späteren Zellen typische Anlage der Fenster.

1932 kam es zu einem Umbau, der den Zellentrakt betraf. Nach den neuen Plänen bestanden zu dieser Zeit bereits drei neue Haftzellen im I.OG sowie eine im EG des Nebentrakts. Nach Zustandsberichten von 1928 und 1929 dienen einige Zellen in diesen Jahren bereits der Unterbringung von Obdachlosen.9 Diese Erweiterung des Zellentraktes des Polizeigefängnisses ist für spätestens Mitte der 1920er Jahre anzunehmen.

Aus einem Bericht vom September 1931 geht der Anlass für den Umbau der Zellen hervor: In den Arrestzellen des Polizeigefängnisses befinden sich ganz veraltete, sehr unpraktische Abortkübel, die von den lnhaftierten unter polizeilicher Bewachung in einem im Stadthause gelegenen Abort entleert werden müssen, wobei dieser öfter stark beschmutzt wird.
Der Transport dieser offenen Kübel bietet einen widerlichen Anblick und verbreitet sehr üble Gerüche im ganzen Stadthause, woran das Publikum häufig Anstoß nimmt.
Durch Einbauen von mindestens je einem Spülklosett in beiden Etagen des Polizeigefängnisses wäre dieser Uebelstand zu beseitigen.
Diese beiden Spülklosetts lassen sich am Zweckmäßigsten in der Südwestecke der großen Zellen (No. 3 und 6) mit der Tür nach dem Korridor einbauen
.10

Daraufhin werden 1932 diese Umbaumaßnahmen im Nebentrakt des Stadthauses realisiert.11

Entgegen den Plänen des Umbaus von 1932 kann man einem Bericht von 1944 entnehmen, dass inzwischen nur 5 Zellen in Gebrauch waren. Diese waren stark beansprucht, da sie durch die Kriminalpolizeileitstelle Hannover - Außendienststelle Göttingen - und die Geheime Staatspolizei-Außendienstelle Göttingen mit belegt wurden, sodass zeitweise die Gänge im Polizeigefängnis mitbenutzt werden müssen, um alle Festgenommenen unterbringen zu können.

Im Polizeigefängnis sind 3 kleine und 2 große Zellen vorhanden, die nach ihren Einrichtungen - Pritschen - wie folgt belegt werden können:

1. Kleine Zelle Nr. 2: 2 Personen
2. große Zelle Nr. 3: 9 Personen
3. kleine Zelle Nr. 4: 1 Person
4. kleine Zelle Nr. 5: 2 Personen
5. große Zelle Nr. 6: 9 Personen
zus.: 23 Personen
12

Mit Fortschreiten des Krieges lassen sich zudem Verhaftungen und Inhaftierung von Zwangsarbeitern im Polizeigefängnis nachweisen. Ein Bericht an das Kommando der Schutzpolizei 1944 spricht davon, daß die eingebrachten Personen, zum größten Teil Polen und Russen, bis zu 20 auf einmal die Polizeiwache passieren und im Aufenthaltsraum der Polizeibeamten abgefertigt werden müssen, bevor sie in das Polizeigefängnis überführt werden können.13



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Quellen

Bauverwaltung (Stadtbauamt) - Erweiterungsbau des Stadthauses Gotmarstraße; Allgemeines; Organisation: Stadtarchiv Göttingen, Bauverwaltung, Abt. II, Fach 34, Nr. a, Bd. 1.

Bauverwaltung (Stadtbauamt) - Neubau des Stadthauses, Innere Einrichtung: Stadtarchiv Göttingen, Bauverwaltung (Stadtbauamt) Abt. I, Fach 7.2, Nr. 101, Bd. 10.

Dienstanweisung betr. das Polizeigefängnis sowie Einrichtung des letzteren: Stadthaus, Polizeigefängnis. Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 25, Nr. 4.

Organisation der politischen Polizei: Stadtarchiv Göttingen, Pol. Dir. Göttingen, Fach 22, Nr. 7.



1Bauverwaltung (Stadtbauamt) - Neubau des Stadthauses, Innere Einrichtung, S. 3, Neubau Stadthaus, Plan Erdgeschoss 1901.

2Ebenda, S. 1, Neubau Stadthaus, Plan 1.OG, 1901.

3Bauverwaltung (Stadtbauamt) - Erweiterungsbau des Stadthauses und der Gotmarstraße und Allgemeines, S. 17, Stadthauserweiterung.

4Ebenda, S. 25, Urkunde zur Grundsteinlegung.

5Ebenda, S. 17.

6Ebenda, S. 6–7.

7Organisation der politischen Polizei, S. 25, Stapo-Stelle Hildesheim an Ortspolizei, Errichtung einer Außenstelle der Staatspolizeistelle Hildesheim in Göttingen, 2.12.1935.

8Organisation der politischen Polizei, S. 27.

9Dienstanweisung betr. das Polizeigefängnis sowie Einrichtung des letzteren, S. 36, Zustandsbericht Zellen Polizeigefängnis, 12.6.1928.

10Ebenda, S. 94–95, Anlass Einbau Wasserklosetts 1931, 15.9.1931.

11Ebenda, S. 98, Zeichnung Einbau 1932 Erdgeschoss, 02.1932.

12Ebenda, S. 204, Polizeirevier II Göttingen an das Kommando der Schutzpolizei in Göttingen, 4. März 1944.

13Ebenda.

Rainer Driever